Kinder sicherer im Internet machen


Schutzraum – Medienkompetenz Internet

Digitalisierung & Technologie, 04.02.2021

Hanno Lenz arbeitet bei ERGO im Bereich Innovation und Digital Transformation. Auch privat beschäftigt er sich mit digitalen Entwicklungen. Im Jahr 2013 hat er die Initiative „Schutzraum – Medienkompetenz Internet“ gegründet. Das zentrale Thema der Initiative ist ein kindgerechtes Internet.

Hanno, du arbeitest bei ERGO im Bereich Innovation und Digital Transformation. Privat beschäftigst du dich auch mit dem Thema digitale Entwicklung in der Gesellschaft, was machst du da genau?

Ich habe im Jahr 2013 die Initiative „Schutzraum – Medienkompetenz Internet“ gegründet. Inzwischen unterstützen weitere freiberufliche Mitarbeiter unser Ziel, Kinder sicherer im Internet zu machen. Unsere Zielgruppen sind Lehrer:innen, Eltern und Kinder und Jugendliche. Wir bieten Orientierungshilfen in Form von Informationsveranstaltungen und Workshops an. Hierbei geht es vor allem um kindgerechtes Internet, Online-Gaming und Suchtgefahren, Soziale Netzwerke und Cybermobbing. Wir klären die Eltern auf, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe und versuchen ihnen einen guten Überblick über das zu vermitteln, was die Kinder so sehr am Internet, den Spielen und Netzwerken fasziniert. Hierbei geht es verstärkt um die Risiken und Gefahren, die damit einhergehen.

„Der Schutzraum ist mein Herzensprojekt, hiermit möchte ich gute Spuren hinterlassen.“

Hanno Lenz, Innovation und Digital Transformation Manager bei ERGO

Wo siehst du denn aktuell die größten Gefahren für Kinder und Jugendliche im Umgang mit dem Internet? Wie gehen die Eltern damit um?

Kinder und Jugendliche werden in der Begleitung durch die Eltern für einen sicheren und freundlichen Umgang im Internet in vielen Fällen zu wenig unterstützt. Der Schutz der eigenen Privatsphäre wird unterschätzt und eine Verrohung im Umgang miteinander im Internet nimmt immer mehr zu. Kinder erhalten meist ab einem Alter von 10 Jahren ein eigenes Smartphone. Neben den tollen Dingen, die sie durch soziale Netzwerke und Online-Spiele mit den Freunden erleben, werden sie auch mit vielen nicht kindgerechten und sogar strafbaren Inhalten konfrontiert. Zusätzlich steigt die Abhängigkeit vom Internet. Durch die Algorithmen und Funktionen in den sozialen Netzwerken oder Spielen, werden die Kinder und Jugendlichen stets getriggert, online zu bleiben.

Vielen Eltern sind diese Entwicklungen von Cybermobbing, Gefahren durch sexuelle Übergriffe über das Internet oder die Suchtgefahren durch soziale Netzwerke und Online-Gaming nicht bewusst. Sie haben dennoch Sorgen und häufig münden dann Entscheidungen in Verboten aus Angst und fehlendem Bewusstsein.

Ich als Vater von zwei Jungen im Alter von 15 und 18 Jahren kann das Verhalten der Eltern sehr gut nachvollziehen. Es ist schwierig sich mit Themen zu beschäftigen, die einen vielleicht gar nicht interessieren, wie zum Beispiel die Funktionsweise von Snapchat oder TikTok. Und es ist eine Herausforderung, der Geschwindigkeit der Entwicklung von gesellschaftlicher Veränderung, Kommunikationsverhalten und Technologie standzuhalten.

Wie hilft die Initiative Schutzraum dabei?

Unser Motto und gemeinsames Ziel ist es, Kinder sicher im Internet zu machen. Wir sorgen für einen sicheren und bewussten Umgang miteinander im Netz. Wir klären Eltern, Kinder und Jugendliche auf – nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe und mit Respekt. Wir sind Berater und keine Besserwisser.

In erster Linie bieten wir Informationsveranstaltungen in unterschiedlichen Formaten an, als Präsenz- oder Online-Event. Mit den Eltern von Kindern zwischen 6 und 13 Jahren (Grundschule oder Jahrgangsstufen 5 bis 7) sprechen wir insbesondere über Themen wie der Start ins Internet, soziale Netzwerke, Cybermobbing, Online-Gaming und Suchtgefahren.

Weitere strafrechtliche Aspekte, wie beispielsweise das Verschicken von Nazi-Bildern, Volksverhetzung, Beleidigungen usw. werden zusätzlich angesprochen. In Workshops mit den Kindern und Jugendlichen sprechen wir – je nach Altersgruppe – über das, was toll am Internet ist und auch das, was riskant und gefährlich sein kann. Wir sprechen und reflektieren über Verhalten im Internet, insbesondere in WhatsApp-Chats, Instagram oder Snapchat.

Über den Konsum von Medien wird diskutiert und auch über die Erfahrungen beim Zocken. Spielerisch erarbeiten wir Vereinbarungen zu einem freundlichen, sicheren und angemessenen Umgang im Netz. Hierzu haben wir auch das Kartenlegespiel „Abgemacht!“ entwickelt.

Hanno Lenz mit seinem Spiel „Abgemacht!“

Das ist ja spannend. Was ist das für ein Spiel?

„Abgemacht!“ ist ein Kartenlegespiel für Eltern, Lehrer:innen und Kinder, das dabei unterstützt, Vereinbarungen für einen freundlichen und sicheren Umgang im Internet zu schaffen. Durch das Aufdecken passender Kartenpaare erarbeiten die Spieler Vereinbarungen, die in einem Begleitheft näher erläutert werden. Zum Beispiel Vereinbarungen wie „Ich treffe mich nicht mit Leuten, die ich über das Internet kennengelernt habe“, „Ich achte darauf, was ich poste“ oder „Ich mobbe niemanden“. In den Erläuterungen wird erklärt, warum diese Vereinbarungen so wichtig sind. Diese sollen alle Beteiligten diskutieren und bestenfalls noch eigene Regeln für den richtigen Umgang im Internet oder mit dem Smartphone festlegen.

Was ist deine Meinung, tut der Staat aktuell genug, um Schulen, Lehrer:innen technisch wie auch fachlich in diesem Thema weiterzuentwickeln?

Der Bund stellt eine Menge Geld zur Verfügung, die für die Digitalisierung in Bildungseinrichtungen verwendet werden kann. Wir haben kein Problem, die Situation, in der wir uns gerade befinden zu analysieren und zu bewerten. Aber: Wir sind aus meiner Sicht umsetzungsschwach und zu bürokratisch. Zum Beispiel muss jede Schule ein Konzept entwickeln und den Bedarf an digitaler Ausstattung, wie PCs, Digitale Boards, VR-Brillen etc. beschreiben, das dann über den Schulträger an das Land geht, geprüft und hoffentlich dann freigegeben wird. Zusätzlich kann die Versorgung von Schulen mit schnellem Internet Jahre dauern, da auch hier zum Beispiel EU-Ausschreibungsverfahren eingehalten werden müssen.

Die aktuelle Situation des Distanzlernens zeigt den Notstand noch einmal sehr deutlich. Ich erlebe als Vater von schulpflichtigen Kindern, welche Anstrengungen viele Lehrerinnen und Lehrer unternehmen müssen, um online-fähig zu sein. Es fehlt an angemessener Ausstattung, Kenntnis über den richtigen Umgang mit den Medien und Anwendungen und Motivation, über das Internet die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu unterrichten.

Was brauchen wir aus deiner Sicht? 

Aus meiner Sicht benötigen wir eine unbürokratische Verteilung von Finanzmitteln, damit alle Schulen gleichermaßen mit digitalen Lernhilfen, Computern etc. ausgestattet werden. Sofortige Anbindung aller Schulen an ein schnelles Internet. Zentrale grundlegende Lehr-Konzepte für digitales Lernen um Zeit zu sparen, dass nicht alle Schule eigene Konzepte für einen angemessenen Unterricht entwickeln müssen, die dann angepasst und erweitert werden können.

Lehrerinnen und Lehrer müssen in dem Umgang mit den Anwendungen zum digitalen Lernen geschult werden UND – da sind wir wieder beim Thema Medienkompetenz – benötigen einen Überblick beispielsweise über die die Funktionsweisen sozialer Medien, Online-Spiele, Algorithmen etc. Hier sollte ein angemessener, freundlicher und sicherer Umgang auch in den Klassen geschult werden. Natürlich ist das eine wichtige Aufgabe der Eltern, die jedoch nicht immer wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden kann. Leider erlebe ich sehr häufig, dass Eltern wie auch Lehrerinnen und Lehrer dieser Menge von Apps, Netzwerken, Spielen und den Gefahren, die damit verbunden sind ratlos gegenüberstehen. Es bedeutet Arbeit, viel Arbeit.

Zusätzlich fehlt leider in der aktuellen Zeit der Überblick, ob auch alle Kinder und Jugendliche mit mobilen Endgeräten ausgestattet sind. Glücklicherweise gibt es ein staatliches Sofortprogramm und auch viele Unternehmen und Eltern, die Laptops an Schulen spenden, damit alle Kinder ausgestattet werden können.

Es gibt noch so viele weitere Themen, die in diesem Zusammenhang behandelt werden müssen. Das sprengt wahrscheinlich diesen Rahmen...

Ihr habt letztes Jahr einen Preis gewonnen, was hat es damit auf sich?

Im September 2020 sind wir mit unserem ersten Business Award in der Kategorie „Social“ ausgezeichnet worden. Das war eine tolle Sache und motiviert uns natürlich, weiter an unserer Mission zu arbeiten. Der Preis war eine schöne Bestätigung unseres Handelns. Insgesamt haben wir schon über 10.000 Personen in Veranstaltungen erreicht und arbeiten inzwischen auch mit großen Unternehmen oder Fußballclubs der ersten Bundesliga zusammen.

Was ist als nächstes geplant?

Ganz viel! Wir sind inzwischen ein Team von aktuell sieben Personen mit unterschiedlichsten Kompetenzen. Somit können wir auch mehr in Schulen gehen und Workshops mit Kindern und Jugendlichen organisiseren. Wir konzipieren neue Formate für Kita-Eltern, Trainerinnen und Trainer, Lehrerinnen und Lehrer, Betreuerinnen und Betreuer und Jugendliche über 13 Jahren. Wir erweitern unser Medienangebot und werden Lehrvideos und wahrscheinlich auch Podcasts entwickeln.

Das „Abgemacht!“-Spiel wollen wir irgendwann auch digital – mindestens für Schulungszwecke – entwickeln. Wahrscheinlich führen wir in diesem Jahr, wie im letzten Jahr auch, eine große Spendenaktion durch, wo wir viele soziale Einrichtungen mit Spielen versorgen können. Das ist im letzten Jahr großartig angekommen. Und – ein weiteres Spiel ist auch schon in Planung.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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