Vor einigen Jahren noch als Sci-Fi abgestempelt und heute doch Realität: Gesundheits-Apps, Videosprechstunden beim Arzt sowie Smartwatches, die Leben retten. Die Vorteile von Digital Health liegen auf der Hand – doch zu welchem Preis, fragt sich //next-Kolumnist Markus Sekulla.
Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen. Das haben die vergangenen Monate eindrucksvoll gezeigt. Dafür kann es sich meiner Meinung nach – soviel kann ich hier schon vorwegnehmen – sogar lohnen, Abstriche etwa beim Datenschutz in Kauf zu nehmen. Es bleibt eine sehr persönliche Entscheidung, wie man den Umgang mit den eigenen Daten handhaben möchte.
Dass unbekannte Menschen auf meine (Gesundheits-)Daten zugreifen können, ist hingegen eine Horrorvorstellung. In vielen Gesprächen habe ich vor allem einen Kommentar im Bekanntenkreis gehört: „Nun, wer interessiert sich schon für meine Daten?“ Klar schein, dass es bei Big Data anders aussieht – und größere, anonyme Datenmengen erschreckend genaue Rückschlüsse erlauben.
Eigentlich stehe ich der Digital-Health-Branche sehr positiv gegenüber. Zwischen 2005 und 2015 habe ich – studierend und arbeitend – viel Zeit in China und den USA verbracht. Länder, in denen man Datenschutz zugunsten von besserer Technologie nicht so eng sieht. Das Verhältnis zu meinen Daten ist dort durch viele Gespräche legerer geworden. Ganz nach dem Motto: Wenn es Möglichkeiten oder Apps gibt, die einen positiven Effekt auf mein Leben haben, bin ich durchaus bereit, hierfür Daten, ja: auch sensible Gesundheitsdaten, zu teilen. Man könnte auch sagen: damit zu bezahlen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das nicht für uns alle gilt.
Das bringt uns zu Digital-Health-Apps: Mit immer neueren Technologien stehen den Menschen Möglichkeiten offen, um zum Beispiel frühzeitig Krankheiten zu erkennen oder das Leben zu erleichtern und sogar zu verlängern. Tauchen wir mal ein:
Die digitale Patientenakte steht immer wieder in der Kritik und wirft Fragen auf. Was passiert mit den Daten? Wer hat darauf Zugriff? Welche Daten sind auf der Akte gespeichert? Kann der Patient die Informationen über ihn einsehen?
Sind Informationen über die Patienten gespeichert, ermöglichen sie die Analyse großer Datensätze und werden zur Erstellung von neuen Forschungsansätzen und besseren Behandlungsmethoden genutzt. Gleichzeitig stellt sich die Fragen, wie das Sharing der Informationen explizit aussieht – und welche Schutzmechanismen im Hintergrund greifen. Gerade im Hinblick auf den Datenschutz und Datensicherheit haben Patienten Bedenken.
Und die Angst ist dabei berechtigt: Cyberkriminelle haben die Möglichkeit, die Daten auf illegalem Wege abzugreifen, wenn die Infrastruktur nicht ausreichend geschützt ist. Dem Chaos Computer Club ist es erst vor kurzem gelungen, sich Zugangsberechtigungen für das Telematik-Netzwerk zu verschaffen. Mehr als 100.000 Praxen sind bisher daran angeschlossen (Link). In Zukunft sollen darüber die digitalen Patientenakten und elektronische Rezepte ausgetauscht werden. Die Folgen wären bei einem echten Cyber-Angriff fatal: Die Daten könnten beim Angriff heruntergeladen, verändert oder danach verkauft werden.
Ebenso stehen immer wieder Gesundheits-Apps in der Kritik. Hinter der Entwicklung der Applikation stehen vor allem Werbetreibende oder Unternehmen, die vollen Zugriff auf die darüber generierten Daten bekommen und sie verkaufen. Auch die fehlende Transparenz über die Algorithmen und Funktionsweisen bergen ein hohes Risiko für den Nutzer.
Doch nicht nur die Wirtschaft hat ein Interesse an den Daten. In Fällen von Pandemien lassen sich so die Gesundheitsdaten der Menschen überwachen. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist die DatenspendeApp des Robert-Koch-Instituts zu Beginn des Corona-Ausbruchs.
Was es in den USA schon viele Jahre gibt und auch von vielen vor allem jungen Versicherungskunden gibt, sind Bonusprogramme für Krankenversicherte. Hier werden Daten freiwillig die Krankenversicherung weitergeben, dafür bekommen sie Prämien unterschiedlichster Form – sogar Amazon-Gutscheine.
Ich bin Fan von digitalen Anwendungen zur Verbesserung meines Lebens. Dennoch ist es mir nicht gelungen, zu dem Thema einen rein positiven Artikel zu schreiben. Trotzdem: Mein Leben ist durch digitale Angebote klar besser geworden. Auch wenn die Firma Headspace Inc. aufgrund meines Nutzerverhaltens vielleicht weiß, wie meine Gefühlslage an verregneten Novembertagen ist. Viele Anwendungen und Datenwege beim Thema Digital Health sind jedoch für Otto Normalverbraucher schwer durchdringbar. Dies bringt nicht nur in Deutschland Ängste mit sich und steigert die Ablehnung von Digital-Health-Technologien. Diese gilt es in Zukunft abzubauen.
Text: Markus Sekulla
Am beliebtesten