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Biohacking: Optimierung von Körper, Geist und Leistung

Biohacking ist Gesundheits- und Leistungsoptimierung durch den Einsatz biologischer und technologischer Instrumente. Zwei zentrale Fragen stehen oft im Mittelpunkt: Wie funktioniert der Mensch – und wie kann man sich selbst beeinflussen? //next-Autor Markus Sekulla sprach mit Teemu Arina darüber, warum er Biohacker wurde – und welche digitalen Geräte er verwendet, um sich selbst zu tracken.

Foto: Biohacker Teemu Arina

Markus Sekulla: Hallo Teemu, ich freue mich sehr, heute mit dir zu sprechen. Ich verfolge dich schon seit langer Zeit online. Auf deiner Website heißt es: „Biohacking ist die Kunst und Wissenschaft der Optimierung von Körper, Geist und Leistung mit Systemdenken, Technologie und Biologie - mit anderen Worten: einfach ein besseres Leben durch Wissenschaft.“ Ist das deine Definition von Biohacking, oder möchtest du dem noch etwas hinzufügen?

Teemu Arina: Hallo Markus, vielen Dank für deine Einladung. Biohacking ist Gesundheits- und Leistungsoptimierung durch den Einsatz biologischer und technologischer Instrumente. Also ähnlich wie bei einem Computerhacker, der Computersysteme betrachtet. Zwei zentrale Fragen stehen oft im Mittelpunkt: Wie funktioniert der Mensch – und wie kann man sich beeinflussen? Als Biohacker schaue ich auf den menschlichen Körper oder besser: das biologische System, das der Mensch ist. Es besitzt wie ein Computersystem verschiedene Inputs, Prozesse und ebenso unterschiedliche Outputs. Und indem man die Inputs moduliert, indem man also die Art und Weise beeinflusst, wie der Körper Dinge verarbeitet, oder was die Outputs sind, kann man anfangen, das System zu optimieren.

Es ist im Grunde genau wie bei kybernetischen Systemen: Es gibt einen Input, Prozess, Output, und eine weitere und sehr wichtige Komponente: das Lernen. Es geht dabei darum, wie das System auf Reize reagiert und wie es sich dadurch verändert. So wachsen und lernen alle Organismen. In ähnlicher Weise kann man sich selbst mit Hilfe von Technologie quantifizieren, indem man Informationen über sein Verhalten, seine Biomarker oder sogar die Umgebung, in der man sich befindet, erhält.

Das Ziel: optimale Gesundheit

Wenn wir zum Beispiel über die Optimierung der Gesundheit sprechen, dann wird in der heutigen Gesellschaft Gesundheit als die Abwesenheit von diagnostizierter Krankheit verstanden. Für mich gibt es aber eine optimale Gesundheit. Bei Labortests existieren Referenzbereiche. Liegen die Werte innerhalb dieses Bereichs, giltst du ein gesunder Mensch. Du liegst also nicht außerhalb der Standardabweichung. Dennoch: Was für dich optimal ist, ist einzigartig und hat keinen Referenzbereich. Das kann man nur verstehen, wenn man sich deine Genetik, Geschlecht, Biomarker im Allgemeinen und den Langzeittrend anschaut.

Eine der Definitionen von Biohacking ist, dass es darum geht, die Umgebung - in und außerhalb von Menschen - zu optimieren, weil wir nicht isoliert von unserer Umgebung leben. Wir sind eingebettet in unsere Umwelt. Das können Freunde und Familie sein, das Land, in dem man lebt, die Nahrung, die man isst, die Luft, die man atmet, das Wasser, das man trinkt. Und der Lebensstil ist zu guter Letzt die Art und Weise, wie man mit seiner Umwelt interagiert. Also wieviel Schlaf man bekommt, wie das Verhalten in Bezug auf Bewegung, Ernährung oder den Missbrauch von Substanzen aussieht. Dieses komplexe System, in das man eingebettet ist, gilt es zu verstehen und zu beherrschen. Das ist es, was Biohacker anstreben.

Markus Sekulla: Wie bist du Biohacker geworden?

Teemu Arina: Mein Weg zum Biohacking begann mit etwas, das vor mehr als 10 Jahren passierte: 2011 bekam ich ein Geschwür. Es ist eine stressbedingte Krankheit, und ich bekam Medikamente dafür. Aber es wurde chronisch. Ich hatte mindestens ein Jahr lang permanente Schmerzen und hatte keine Energie mehr. Ich beschloss, in den Spiegel zu schauen und weigerte mich, noch länger diese kranke Person zu sein. Biohacking war mein Weg dort heraus. Es war die Verhaltensänderung, die durch alle Daten unterstützt wurde, die mich aus diesem entzündlichen Zustand herausbrachte. Auf dieser Reise wurde mir klar, dass man die Kontrolle über die eigene Gesundheit, die eigene Leistung und all das hat, wenn man es denn will. In der heutigen Gesellschaft lagern wir das an Ärzte und andere Spezialisten aus, damit uns jemand anderes sagt, was mit uns los ist. Aber am Ende muss man Master seiner eigenen Gesundheit werden, man muss wachsen und die seine eigene Leistung kontrollieren. Das ist harte Arbeit.

Ein Biohacker wie ich nimmt sich selbst als Subjekt, informiert sich durch neueste wissenschaftliche Forschung und Top-Experten auf ihrem Gebiet. Wir sammeln unser eigenes Wissen und unsere Erfahrung, um etwas zu tun und zu verändern. All das gilt es zu kombinieren. Wir testen es dann an uns aus. 

 

Markus Sekulla: Welche digitalen Geräte verwendest du, um dich selbst zu quantifizieren?

Teemu Arina: Es gibt ein paar verschiedene Geräte, die ich verwende. Ich verwende einige Devices, um Dinge zu messen und andere, um Effekte hervorzurufen.

Nehmen wir das Beispiel Bewegung: Dafür benutze ich einen Aktivitätstracker. Im Moment trage ich dafür eine Garmin-Uhr, die wie eine normale Uhr aussieht. Ich benutze sie, um ein besseres Verständnis über meine Stressreaktionen während des Tages zu bekommen. Im Speziellen nutze ich sie für die Herzfrequenzvariabilität. Sie sagt mir, wann mein sympathisches Nervensystem (mein Kampf- oder Fluchtsystem) oder das Ruhe- und Verdauungssystem eingeschaltet war. Ein perfektes Gleichgewicht wäre hier etwa 50/50 über den Tag verteilt. Wenn ich sehe, dass meine Statistiken für die letzte Woche übermäßig angeregt waren, dann versuche ich, es diese Woche etwas ruhiger angehen zu lassen.

Wenn es darum geht, den Schlaf zu verfolgen, benutze ich den Oura-Ring. Dieser verfolgt die Herzfrequenz, Variabilität und ein paar Dinge mehr. Außerdem mag ich den Formfaktor. Damit erhältst du eine grobe Vorstellung deiner Schlafqualtät. Es zeichnet Tiefschlaf, REM-Schlaf und vieles mehr auf. Jedoch ist der REM-Schlaf extrem schwer genau zu messen, weil man dazu Gehirnströme bräuchte. Dafür habe ich ein anderes Gerät. Es heißt Dreem. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Headset, das die Gehirnströme sehr genau misst.

Wirklich wichtig für mich ist es, meinen Tiefschlaf zu verfolgen und ihn mit der Gesamtmenge des Schlafes in Relation zu setzen. Denn erstere ist die Zeit, in der die meiste Erholung passiert. Und der Tiefschlaf wird durch Stress, zu spätes Essen oder zu späten Sport und Alkohol gestört.

Ich habe auch noch andere Geräte. Zum Beispiel eines, das meine Körperhaltung während meinen Vorträgen auf der Bühne aufzeichnet. Es vibriert, wenn ich nicht in einer guten Haltung stehe. Das ist für mich ein Hinweis, mich wiederaufzurichten.

Für das Muskeltracking benutze ich ein Gerät namens Skulpt. Es misst den Fettanteil und die Muskelqualität. Der Clou: Es lässt sich auf die verschiedenen Muskeln legen und so erhalte ich Hinweise, welche Körperteile ich beim Training mehr angehen muss.

Ich wohne in Estland. Zu dieser Jahreszeit ist es hier ziemlich dunkel. Deswegen benutze ich ein Blaulichtgerät, das ich über meine Augen setze oder ein Tageslicht, um meinen circadianen Rhythmus zu synchronisieren. Abends versuche ich dann, blaues Licht zu blockieren - mit einer Brille oder per Software.

Markus Sekulla: Was sind im Moment die Trends und Biohacking?

Teemu Arina: Geräte wie Aktivitätstracker sind in gewisser Weise schon Mainstream. Es wird im Zuge dessen immer weniger interessant, welchen Aktivitätstracker man genau benutzt. Viel interessanter und wichtiger ist es mittlerweile, was die Algorithmen in der Lage sind zu tun, um die Daten auszuwerten

In der nächsten Phase geht es um von künstlicher Intelligenz getriebene Algorithmen. Jene, die in der Lage sind, tieferes Wissen und mehr Informationen zu extrahieren, als es sonst möglich ist. Ich sehe auch vermehrt, dass diese Technologie am Arbeitsplatz Einzug hält. Mehrere Firmen entwickeln Plattformen für Unternehmen, um diese Art von Daten in ihre Management-Dashboards zu übernehmen. Sie entwickeln daraus einen anonymen Durchschnitt ihrer Mitarbeiter:innen. Das Management hat dann einen (wiederum anonymen) Zugang zum Verständnis des Stressniveaus und der Gesundheit seiner Mitarbeiter:innen. Aber letztendlich sind diese Art von Daten ohne vereinfachte Erklärungen völlig nutzlos. Das gilt sowohl für den Einzelnen als auch für Organisationen. Was benötigt wird, ist ein Weg, der Menschen hilft, tatsächlich vorteilhafte Verhaltensänderungen zu ermöglichen.

Markus Sekulla: Lieber Teemu, vielen Dank für dieses Gespräch!

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