Seit der Pandemie werden die Möglichkeiten digitaler Technik stärker ausgelotet. Auch im Gesundheitsbereich. Online-Terminvergaben, Video-Sprechstunden oder digitale Krankschreibungen gehören dazu. Wie aber steht es um die Digitalisierung im Klinikbereich? Welche smarten Konzepte und Lösungen kommen hier im Sinne von Medizin und Mensch bereits zum Einsatz? Woran wird gerade gearbeitet? Wie kann das Krankenhaus der Zukunft aussehen?
In vielen Branchen wird die Digitalisierung als Jobkiller verstanden. Und im Grunde stimmt das ja auch. Sie sorgt dafür, dass bislang von Menschen durchgeführte Tätigkeiten mithilfe künstlicher Intelligenz und digitaler Technologie ausgeführt werden. Im medizinischen Bereich könnte das jedoch außerordentlich hilfreich sein, wenn es darum geht, lang „gepflegte“ Missstände zu beheben und dafür zu sorgen, dass medizinische Patientendaten reibungslos ausgetauscht, die Teams in den Häusern von zeitraubenden Routineaufgaben entlastet und die Patient:innen bei der Genesung bestmöglich unterstützt werden.
Denn die Wirklichkeit sieht derzeit so aus, dass die Kosten in den Krankenhäusern seit Jahren in die Höhe gehen. Viele medizinische Leistungen sind kostspielig für das Gesundheitssystem. Das Personal stößt an Belastungsgrenzen, Patient:innen fühlen sich schlechter betreut. Das alles gilt nicht erst seit der Coronapandemie, und so steigt in den Kliniken das Bedürfnis zur digitalen Transformation. Im McKinsey & Company-Report „Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern“ aus dem Jahr 2018 werden die möglichen monetären Effekte konkret beziffert. Demnach würde die Inbetriebnahme von 26 ausgewählten digitalen Technologien allein im Klinikbereich zu Einsparungen in Höhe von rund 16 Milliarden Euro führen.
Das Thema „Smart Hospital“ ist allerdings komplex. Vier Ebenen sieht das Zielbild der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V.: die der Mitarbeiter:innen, der Patient:innen, der strategischen Ausrichtung und der Prozesse. Diese Aspekte in ihrer Gesamtheit zu betrachten, ist ein weites Feld. Deshalb wollen wir uns im Folgenden auf das konzentrieren, was medizinisch und zum Wohle von Patient:innen und Personal relevant erscheint.
Beginnen wir bei der stationären Aufnahme in einem Krankenhaus. Im Smart Hospital müssen sich Patient:innen nicht mehr mit einer Papierakte bestückt bis zur Station durchfragen. Es bestehen bereits konkrete Ideen und Szenarien, wie die optimale Patienten-Journey mithilfe digitaler Anwendungen aussehen könnte: bequemer Check-in von Zuhause per Plattform, Buchung des Speiseplans für den Krankenhausaufenthalt usw. Auch wenn einzelne Komponenten solcher Services bereits in Anwendung sind, so fehlt meist doch eine zentrale Schnittstelle, um diese klug miteinander zu verknüpfen. Mögliche Gründe dafür: mangelnde Strukturen, fehlende Budgets, unzureichende IT-Landschaften.
In den klinischen Laboren kommt digitale Automationstechnik bereits vielfach zum Einsatz. Das Spektrum reicht vom einfachen Pipettier-Roboter bis hin zu Sequenzier-Geräten. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, KI-basierte Analysetechniken einzusetzen und vorhandenes Datenmaterial nahezu interdisziplinär auszuwerten.
Aber auch Ärzt:innen und OP-Teams profitieren schon heute vom Einsatz digitaler Gerätschaften. So etwa arbeiten die Operateur*innen am Universitätsklinikum Essen bereits mit immersiver Technologie. Hier werden die Daten einer Computertomografie in eine 3-D-Animation überführt. Der mit einer Spezialbrille ausgestattete Arzt kann diese direkt auf den Körper des Patienten projizieren, statt sich wie bisher die Bilder immer wieder an einer Wand anschauen und imaginär auf den Menschen übertragen zu müssen. Die Vorteile sogenannter Holomedizin liegen auf der Hand: OPs lassen sich gezielter planen, noch sicherer durchführen und Sachverhalte für Patient*innen transparenter darstellen. Ein weiteres Beispiel aus dem OP-Bereich: der Einsatz vom „DaVinci“-Operationsroboter im Bereich minimal-invasiver Eingriffe an der Ruhrlandklinik. Dabei ersetzt die Maschine die Handgriffe der operierenden Ärzte nie, unterstützt diese aber enorm.
Das Potenzial digitaler Lösungen für die Notfallmedizin in den Krankenhäusern befindet sich im Großen und Ganzen noch in der Erforschung, mancherorts sind Lösungen mit künstlicher Intelligenz in der praxisnahen Entwicklung. So etwa KI-gestützte Analysesysteme für bildgebende Verfahren. In manchen Kliniken bereits in Anwendung ist eine Software, die die komplette Steuerung und Optimierung von Prozessen von Notfallaufnahmen übernimmt: ERPath teilt Notfallpatient:innen in Dringlichkeitsstufen ein, sortiert diese in ein für die Behandler:innen übersichtliches System und informiert zum Gesundheitsstatus der Patient:innen. Alle folgenden Behandlungsschritte werden über die Plattform erfasst, elektronische Berichte erstellt, Leistungs- und Abrechnungsdaten bereitgestellt.
Auch im stationären Bereich von Krankenhäusern zeigt die Digitalisierung schon heute mögliche Einsatzszenarien. Serviceroboter, die automatisiert Routinetransporte übernehmen, bieten eine Perspektive, wenn es um die dauerhafte Entlastung des Personals auf den Stationen geht. Sogenannte „Social robots“ sollen Patient:innen emotional bei der Genesung unterstützen, sie dazu ermutigen, medizinische Maßnahmenpläne einzuhalten oder – gerade in Corona-Zeiten – im Kontakt mit der Familie zu bleiben. Letzteres wurde an der Klinik für Altersmedizin mit dem Roboter TEMI in der Praxis erprobt. Mithilfe von Wearables könnten schon bald 24/7 die Gesundheitsdaten von Patient:innen erhoben und bedenkliche Werte auf diese Weise zeitnah an das Stationspersonal gemeldet werden.
Sind die technischen Voraussetzungen erst einmal geschaffen, werden digitale Anwendungen zukünftig also dabei helfen, alltägliche Abläufe in Kliniken transparenter zu gestalten und zu vereinfachen. Für diese Art von agilem Arbeiten bedarf es allerdings mobil-vernetzter Endgeräte für alle Mitarbeitenden, stabiler WLAN-Verbindungen und einer flächendeckend eingesetzten digitalen Patientenakte (ePA). Erst dann können Arbeitsfelder konkreter umrissen, Dokumentationen per Digitalassistent verlässlich erstellt und Aufgaben in Echtzeit per Knopfdruck zugewiesen werden. Einen Patienten-Check-out initiieren, ein Reinigungsteam rufen, eine Liege anfordern: Das alles dürfte zukünftig durch smarte Konnektivität und gute Datenlage mit einem einzigen Click möglich sein. Auch die Ruftaste am Krankenbett dürfte im Krankenhaus von morgen endgültig ausgedient haben und ersetzt werden durch Tablets, mit denen Patient*innen ihre Anliegen besser priorisieren und konkretisieren können.
Mit dem zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz sind die Kliniken in Deutschland jetzt per Gesetz dazu angeregt, in digitale Infrastrukturen und Technik zu investieren. Regelmäßige Evaluationen sollen den Fortschritt dokumentieren. Während an manchen Stellen das Gesetz Lob findet und als Chance verstanden wird, beanstanden seine Kritiker, das Geld werde nicht bedarfsorientiert, sondern vielmehr nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet.
Aber wie das bei Förderprogrammen so ist: Nicht immer werden zur Verfügung stehende Gelder abgerufen. Häufig fehlt es an der Idee, wo, wie und zu welchem Zeitpunkt investiert werden sollte. Wie in vielen anderen Bereichen werden deshalb die Kliniken den Umbruch am ehesten vollziehen können, in denen der Notwendigkeit für Veränderung erkannt und mit festen Absichtserklärungen begegnet wird. Neben monetären Faktoren wird auch hier das Mindset aller Beteiligten maßgeblich über den Kulturwandel in der Krankenhauswelt entscheiden.
Text: Alexa Brandt
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