Eine der großen Herausforderungen in der Pandemie: fit bleiben. Mit geschlossenen Sportstätten im ganzen Land hatten die meisten von uns Probleme, genug körperlichen Ausgleich zu Arbeit, engem Familienleben und Virusstress zu finden. Hier verschafft die Technik einen positiven Ausblick. Virtual-Reality-Fitness-Lösungen werden immer beliebter. Ein Grund für unseren Kolumnisten Markus Sekulla, sich die Lage der Fitnessliga mal anzuschauen.
Mein erster Wii Abend war eine Offenbarung. Die Bewegungen bei Spielen wie Golf, Tennis und andere Sportarten konnten plötzlich nicht mehr nur Gameboyesque mit ein paar Knöpfen gesteuert werden, sondern wurden mit echten Bewegungen ausgeführt. Wir kamen ganz schön ins Schwitzen und konnten uns damals schon vorstellen, dass der Sportmarkt durch Konsolen nachhaltig bereichert werden könnte.
Fast Forward ins Jahr 2017 auf die AWE (Augmented World Expo) in München. Neben vielen nützlichen (und unnützen) Firmenanwendungen für Augmented - und Virtual Reality hatte ich auch hier einen großes AHA-Erlebnis. Die Firma Icaros hatte eine Fitnesslösung erdacht, die meine Bauchmuskeln noch für die nächsten 3 Tage beschäftigen sollte. Ein VR-Fitness-Plank-Gerät, auf dem man die Bewegungen im virtuellen Raum aus einer Plank steuern konnte. Die virtuellen Welten waren nicht besonders ausgefeilt, aber es hat richtig Spaß gemacht und den gewünschten Effekt gebracht. Wie man auf dem Foto sehen kann, war es jedoch eher eine Lösung für Fitness-Studios oder für Leute mit zu viel Platz und zu viel Geld. Nach der Expo stand für mich jedoch fest, dass die Bandbreite der Möglichkeiten und Ideen für VR-Fitness-Anwendungen mit besser Technik und Equipment immer größer werden.
Kommen wir im Jahr 2021 an. Das Interview mit dem Supernatural Gründer Chris Milk „The Best Thing To Do In VR Is Work Out” ist mir vor einigen Tagen in die Hände gefallen und soll hier wärmstens empfohlen werden. Mit Pandemie, Peloton und Zwift sind viele von uns an Home Fitness rangeführt worden, nun beschäftigt die Frage nach der Future of Fitness einige große Startups.
Chris Milk bestätigt das, was ich schon häufiger in VR-Diskussionen mitbekommen habe: VR braucht, genau wie viele andere Devices, eine Killer-App. Eine Anwendung, für die die Menschen bereit sind, die Investition einer eigenen VR-Brille zu tätigen. Supernatural ist für Chris (wie sollte es anders sein als Gründer) diese Anwendung. Und diese Investitionen braucht es auch, um VR aus der Nische rauszuholen, in der sie auch nach vielen Jahren voller cooler Anwendungen immer noch ist.
Disclaimer: Ich habe diese Workout App nicht selbst probiert, werde dies aber natürlich so schnell es geht nachholen. Die Online-Review und Tests überschlagen sich vor Lob für die Welt, in der man springen und sein Schwert schwingen soll. Und wenn man sich das Werbevideo so anschaut, versteht man auch, warum alle Reviews sagen, dass die App sehr viel Spaß macht.
Sein wir ehrlich: Warum haben so viele Menschen generell Probleme, fit zu bleiben? Weil es aufwändig ist, sich für den Sport aufzurappeln. Von der Couch aufzustehen, auf die uns der innere Schweinehund wie mit einer unsichtbaren Hundeleine zurückzieht. Oder sich auf den Weg zum Fitnessstudio zu machen, für den man erst ins Auto steigen und durch die halbe Stadt kurven muss. Am leichtesten können sich die meisten von uns motivieren, wenn die Anstrengungsschwelle so niedrig wie möglich ist. Das macht Home Workouts und eben Apps wie Supernatural so attraktiv. Also 1 zu 0 fürs Zuhausebleiben.
„Der Mensch muss sich im Raum bewegen“, das hat ein Freund von mir immer gesagt, wenn ich mich aus Bequemlichkeit gegen einen Lauf im Wald und für das Fitnessstudio entschieden habe. Und er hatte recht. Nichts schlägt Sport an der Luft mit Freunden. Das ist ein Erlebnis, was so ziemlich der Gegenentwurf zu Peloton und Supernatural ist: frische Luft, ein gutes Gespräch nebenbei und viele Eindrücke fürs Gehirn. Ausgleich 1 zu 1.
Endergebnis unentschieden: Sport in den eigenen vier Wänden ist mit neuer Technologie eine tolle Erfahrung, die, wenn sie Spaß macht und damit für Motivation sorgt, eine echte Ergänzung zum Außensport ist. Ich schreibe mit Absicht Ergänzung und nicht Ersatz. Denn das ist er für mich nicht, da mag er noch so fancy werden in Zukunft. Zu stark sind die Erfahrungen für Körper und Geist beim Waldlauf, bei einer Radtour in den Bergen oder einem Schwimmerlebnis im See. Wofür er in meinen Augen schon ein Ersatz sein kann, sind gefüllte Fitnessstudios.
Ob VR oder AR also die Zukunft der Fitnessbranche werden, kommt darauf an, wie weit man in die Zukunft schaut. In wenigen Jahren werden sicher ein paar Menschen mehr eine Brille (oder womit man immer das dann machen kann – Kontaktlinse vielleicht?) in ihrem Zuhause haben, jedoch aus meiner Perspektive nicht genug, um alle Fitnessstudios zum Schließen zu zwingen - diese könnten natürlich auch Supernatural- oder ähnliche Kurse anbieten. Wie die Welt in vielen Jahren ausschauen wird? Keine Ahnung …
Text: Markus Sekulla
Am beliebtesten