Digital Health

Gesündere Zähne dank KI

Röntgenbilder auswerten, Zähne kontrollieren, Knirschen bekämpfen: //next stellt spannende Anwendungen vor, die mit künstlicher Intelligenz (KI) schon heute unsere Zahngesundheit erhöhen. Ein Trend, der gerade erst begonnen hat.

Zum Thema künstliche Intelligenz (KI) schreibt die Helmholtz-Gesellschaft auf ihrer Website: „Dies ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Schatzsuche.“ Mit „Schatz“ sind die riesigen Datenbestände in der Medizin gemeint, die täglich erhoben werden und eine Reihe von Ansatzpunkten für KI bieten. Dies gilt auch für die Zahnmedizin, hier ist diese „Schatzsuche“ in vollem Gange: KI soll zum einen auf Basis von großen Datenmengen bei der Interpretation von Röntgenbildern helfen, zum andern sollen umfangreichere Messdaten und die Vernetzung von Produktionsschritten die Herstellung von Dental-Produkten revolutionieren. Im Mittelpunkt steht die Zahngesundheit. Früherkennung und noch präzisere Behandlungsmethoden als bisher sind der Schlüssel für nachhaltig gesunde Zähne.

„Zeitfresser“ Röntgenbild steht im Fokus

Das Röntgenbild von Kiefer und Zähnen steht in der Regel am Anfang jeder zahnmedizinischen Behandlung. Doch eine kompetente und umfassende Analyse des Bildmaterials nimmt viel Zeit in Anspruch – und hängt in ihrer Güte stark von der Erfahrung der behandelnden Mediziner ab. KI soll hier für mehr Tempo und Genauigkeit sorgen.

Vorreiter beim Thema maschinelle Analyse von Röntgenbildern sind in Deutschland die Zahnmediziner Prof. Falk Schwendicke und Dr. Joachim Krois von der Charité. Sie haben 2017 damit begonnen, eine Software zu entwickeln, die mittels KI große Bild-Datenmengen auswertet und interpretiert. Inzwischen ist ihre Lösung unter dem Namen dentalXrai Pro am Markt.

Die Software ermöglicht mithilfe von KI-Algorithmen die automatisierte Analyse von zahnmedizinischen Röntgenbildern. Karies, Infektionen oder Restaurationen wie etwa Kronen, Implantate oder Wurzelfüllungen erkennt die Software zuverlässig und hebt die Befunde farblich hervor. Der behandelnde Arzt bekommt ein „Vor-Ergebnis“, das er nur noch ergänzen und überprüfen muss. Dies spart Zeit und sichert die Qualität in der Diagnose.

Woher nimmt die KI ihr Wissen?

Am Anfang steht das Training. Um eine KI-Lösung wie dentalXrai Pro zu entwickeln, müssen zunächst möglichst große Datenmengen zur Verfügung stehen. Zum maschinellen Lernen werden Tausende von Röntgenbildern in das System eingespeist, die von kompetenten Medizinern analysiert und markiert wurden. Auf diese Weise wird der KI das notwendige Wissen vermittelt, um Diagnosen und Therapievorschläge vorzunehmen.

Die Software erkennt Muster in den Datenbergen, sie entwickelt Modelle und Algorithmen. Diese wendet sie dann auf neue Röntgenbilder an. Innerhalb von Sekunden ist das KI-System in der Lage, ein Röntgenbild zu „lesen“ und zu interpretieren. Mit entsprechenden farblichen Markierungen und Hinweisen geht es an die Praxis zurück.

Die Verantwortung trägt der Arzt

Die Arbeit des Arztes wird damit nicht überflüssig. Arzt oder Ärztin tragen weiterhin die Verantwortung für die Patienten. Sie müssen nach wie vor in der Lage sein, das von der Maschine interpretierte Bild zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.

Die KI-Systeme, die derzeit in Deutschland für Diagnose und Therapie in der Zahnmedizin entwickelt werden, gelten als sogenannte „Assistenz-Systeme“. Ihre Funktion ist es, den Arzt zu unterstützen, nicht zu ersetzen.

Doch international wird durchaus weiter gedacht: Vollautomatische „Ärzte-Roboter“, zum Beispiel bei schwierigen Operationen, stehen weltweit schon länger auf der Agenda der KI-Forschung.     

Für die Zahnmedizin in Deutschland wird es zunächst darum gehen, die KI-gestützte Datenanalyse großflächig zu etablieren und auszubauen. Die bisherigen Lösungen stellen erst den Anfang dar. Die Unterstützung der Praxisabläufe mittels maschineller Lernsysteme ist an vielen Stellen denkbar. 

International viele innovative Ansätze

Digitale Unterstützung bei der Datenanalyse in der Zahnmedizin kommt sowohl horizontal (Vergleichsdaten) als auch vertikal (umfassende Einzelanalysen) zur Anwendung. Es ist nicht nur möglich, Tausende von Einzelbefunden zu kumulieren und auf Muster hin auszuwerten, wie es im Falle der Röntgenbilder Anwendung findet. Auch der einzelne Patient kann umfassender betrachtet und „ausgemessen“ werden.

Schon jetzt gibt es eine Reihe von Start-ups, die mit ihren Produkten auf die Endnutzer zielen und ihnen helfen, eigene Informationen zu ihrer Zahngesundheit zu gewinnen und ihre Vorsorge zu verbessern:

Die App Pearlii beispielsweise bietet an, mittels Handy-Kamera eine kostenlose Zahnuntersuchung durchzuführen. Die Aufnahmen der eigenen Zähne werden auf Basis von KI ausgewertet. So lassen sich erste Hinweise auf Krankheiten oder Schwachstellen finden. 

Auch Zahnbürsten werden intelligent und nutzen verstärkt künstliche Intelligenz. Schon heute gibt es verschiedene Zahnbürsten-Modelle, die den Druck auf die Zähne messen, die Dauer des Putzens und vieles mehr. Sie werten diese Daten anhand von KI aus und geben Hinweise zum richtigen Putzen. Bei einzelnen Anbietern werden die Messwerte darüber hinaus mittels Bluethooth an eine App übertragen. Diese bereitet die Informationen grafisch auf, so dass der Kunde die Ergebnisse seinem Zahnarzt vorlegen kann. 

Das Produkt Mouth Guard möchte mittels KI dem Zähneknirschen zu Leibe rücken: Patienten, die unter Zähneknirschen leiden, tragen eine Schiene mit Sensoren, die die Zahnbewegungen messen und verorten kann. Die Mundschiene wird zu Hause genutzt, die erhobenen Daten können in der Zahnarztpraxis ausgewertet und für eine passgenaue Therapie herangezogen werden. 

Auch Zahnimplantate oder gesunde Zähne lassen sich mit Sensoren ausstatten. Hierzu finden sich am Markt verschiedene innovative Ansätze, die etwa das Ziel haben, über eine Analyse von Speichelveränderungen Essgewohnheiten zu erkennen und für die Zahngesundheit auszuwerten.

Wenn sich diese „Datenbewegung“ durchsetzt, dann stehen den Zahnarztpraxen in Zukunft eine Reihe zusätzlicher Informationen zur Verfügung, die für eine mögliche Behandlung von Belang sein können. Die Vielzahl der Einzel-Ergebnisse zusammenzuführen und zu lesen, ist ebenfalls ohne KI nur schwer möglich. Die entsprechenden Praxis-Lösungen dazu dürften in den kommenden Jahren folgen.

Je mehr Daten, desto besser!

Die Kern-Herausforderung für alle beschriebenen KI-Lösungen ist die Datenbasis. Die Helmholtz-Gesellschaft ist sich sicher: „Um Durchbrüche zu erzielen, benötigt die Forschung enorme Datenmengen.“ 

In Deutschland ist es aber vielerorts schwierig, diese Daten zu bekommen. Eine starke Fragmentierung des Gesundheitssystems verbunden mit sehr hohen Datenschutzauflagen verhindere laut Helmholtz oftmals eine zentrale Zusammenführung einzelner Patienten-Informationen. Einen ersten wesentlichen Schritt in Sachen Datentransparenz stellt die 2021 eingeführte elektronische Patientenakte dar. Sie könnte für die zentrale Datenbereitstellung eine Basis werden.

Es ist noch ein langer Weg und sicher auch nicht unumstritten, medizinische Daten verschiedener Quellen zentral zusammenzuführen und zugänglich zu machen. Die von den Patienten selbst erhobenen Daten auf dem jeweils eigenen Smartphone stellen eine zusätzliche Herausforderung dar.

Diese Schwierigkeiten werden gelöst werden müssen, um bei KI-Lösungen erfolgreich sein zu können. Die Datenbasis stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für Künstliche Intelligenz dar, ohne sie geht es nicht. Es gilt: Je mehr, desto besser!


KI in der Produktion von Dentalprodukten

Während die KI in Diagnose und Behandlung noch viele Hürden zu überwinden hat, ist die intelligente und vernetzte Herstellung von Zahnprodukten schon mitten im digitalen Umbruch: Präzision und Kostenersparnis sind die Treiber, die diesen Bereich mit hoher Dynamik nach vorne bringen werden.

Die vernetzte Produktion strebt ein autonomes Arbeiten an, bei dem KI-Systeme miteinander kommunizieren und die einzelnen Prozess-Schritte perfekt aufeinander abgestimmt sind. Die Genauigkeit computervermessener Modelle, die Präzision in der automatisierten Fertigung und die Verschlankung von Produktionsketten sind die wichtigsten Vorteile der KI-gestützten Produktionsprozesse.

Dies gilt sowohl für die Herstellung von zahnmedizinischem Werkzeug als auch für Zahnersatzprodukte oder Implantate. Mittels umfassender Analyse verschiedener Messdaten werden präzise Modelle erstellt, die dann beispielsweise mit einem 3D-Drucker hergestellt werden können.

Die Produktion wird dadurch effizienter, aber auch präziser als es in manueller Fertigung möglich ist. Die Vernetzung der einzelnen Produktionsschritte basiert auf dem Internet of Things (IoT). Diese Art von künstlicher Intelligenz hält derzeit in der Produktion vieler Branchen Einzug und schreitet stetig voran.

Fazit: KI ist in der Zahnmedizin angekommen

Insgesamt lässt sich schon heute KI aus der Zahnmedizin nicht mehr wegdenken. Das Heben des „Datenschatzes“ ist dabei das vordringliche Ziel: In automatisierten Analysen steckt enormes Potenzial zur Verbesserung von Diagnose, Prävention und Behandlung. Werden KI-Lösungen erfolgreich eingesetzt, wird sich manche Zahnerkrankung frühzeitiger erkennen oder auch ganz vermeiden lassen. Für uns als Patientinnen und Patienten wäre dies ein Gewinn.

Wohin diese Entwicklungen führen, wird die Zukunft zeigen. Szenarien wie der „gläserne Patient“ oder Roboter, die Ärzte ersetzen, sind sicher bislang in Arztpraxen eher Theorie. Dennoch wird es beim Thema KI immer auch darum gehen, zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Wohle der Patienten abzuwägen.

Tipps zur Zahnpflege

Übrigens: Hilfreiche Tipps zur Zahnpflege gibt es auch auf dem ERGO Blog:

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