KI & Robotics

Corona-Belastung entschlüsselt – dank KI

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die psychischen Langzeitfolgen der Corona-Pandemie analysiert. Dank angewandter Maschine-Learning-Methoden konnten die Wissenschaftler enorme Datenmengen in Korrelation setzen und auswerten.

Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, Maskenpflicht, Homeoffice, Isolation. Die Corona-Pandemie brachte das soziale Leben in vielerlei Hinsicht zum Erliegen. Jeder Lockdown hat unweigerlich Auswirkungen auf unsere Psyche - und damit auch auf unser gesundheitliches Wohlbefinden. 

Um herauszufinden, welche Personengruppen besonders unter den Auswirkungen der Pandemie leiden, haben das Uniklinikum Dresden und das IAO im Rahmen des Projekts „WIBCE – Was ich bei Corona erlebe“ 275 Deutsche befragt. Neben ihren gesundheitsrelevanten Daten, wie etwa der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, wurden auch ihre Verhaltensweisen (zum Beispiel die Anzahl und die Form der Kontakte, die Betreuungssituation der Kinder oder die Nutzung bestimmter Informationsquellen) sowie eine psychologische Einschätzung erhoben. 

Langfristige Folgen abschätzen

Das Besondere an WIBCE: Die Studienteilnehmer standen zwischen April und August 2020 den Forschern mehrmals Rede und Antwort. Die Ergebnisse spiegeln also nicht nur eine Momentaufnahme während der Pandemie wider, sondern stellen eine kontinuierliche Bestandsaufnahme dar. „Nur dank unserer KI-Methodik war es uns möglich, solch großen Datenmengen mit überschaubarem Aufwand auszuwerten«, sagt Doris Janssen, Projektleiterin am Fraunhofer IAO. Insgesamt wurden über den gesamten Zeitraum mehr als 1.430 Befragungen durchgeführt. Für die Datenexploration wurden typische Methoden des Maschinellen Lernens (ML) eingesetzt: unüberwachte Clustering-Methoden und überwachte Klassifikationsmodelle der Ensemble Familie. Korrelationsanalysen zwischen den einzelnen Variablen und statistische Vergleiche zwischen den einzelnen Clustern mittels Bootstrap-Konfidenzintervallen rundeten die Datenanalyse ab. 

Doris Janssen, Projektleiterin am Fraunhofer IAO | © Fraunhofer IAO

Gehören Sie zu den „Unbeschwerten“ oder zu den „Besorgten“?

Dank des KI-Einsatzes identifizierten die Forscher unter den Befragten zwei Cluster, die sich hinsichtlich des Alters sowie hinsichtlich ihrer psychologischen Schutz- und Belastungsfaktoren unterschieden: 

1. Die Gruppe der „Unbeschwerten“ geht relativ entspannt mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie um. Ihre Resilienz verändert sich gegenüber der Vor-Pandemie-Phase kaum. Zu diesem Cluster gehören etwa zwei Drittel der Befragten.

2. Ein Drittel der Umfrageteilnehmer zählt dagegen zu der Gruppe der „Besorgten“, die ängstlicher und niedergeschlagener mit der Pandemie-Situation umgeht. Dazu zählen auch Personen, die nicht an Corona erkranken. Dennoch ist ihre psychische Belastung während der Pandemie enorm und liegt deutlich über dem Referenzwert der Vor-Pandemie-Zeit. 

Jung + geringes Einkommen = hohe psychische Belastung

Mithilfe der Maschine-Learning-Methoden wird nach Auswertung aller vorhandenen Daten deutlich: Vor allem jüngere Menschen mit eher geringem Einkommen sind während der Pandemie vergleichsweise starken psychischen Belastungen ausgesetzt. Und dies, obwohl sie objektiv einem relativ geringen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind. Langfristig ist es dabei auch vollkommen unerheblich, ob sie sich im Erhebungszeitraum mit dem Virus infizierten oder nicht. Das Fraunhofer-IAO folgert daraus, dass Politik und Gesellschaft vor allem die Sorgen und Bedenken dieser Bevölkerungsgruppe ernst nehmen und angemessene Unterstützungsangebote auf den Weg bringen muss.


Link-Tipp

Den vollständigen Bericht mit allen wesentlichen Zwischenergebnissen des Projekts WIBCE können Sie als PDF-Dokument auf den Internetseiten des IAO herunterladen: http://publica.fraunhofer.de/documents/N-630598.html

Text: Susanne Widrat

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