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Zu viel „Arbeit rund um die Arbeit“ – das können wir dagegen tun

Das Corona-Virus hat die moderne Arbeitswelt abrupter verändert als jede technologische Innovation. Aber trotz der Beschleunigung digitaler Initiativen werden wir immer noch von der Hinterlassenschaft gewohnter Arbeitsweisen zurückgehalten: von „Arbeit rund um die Arbeit“, Doppelarbeit und produktivitätssenkenden „Kontextwechseln“. Dies bestätigt eine aktuelle Studie von asana.

Zufriedenes Mädchen schaut Laptop im Café

Zur „Arbeit rund um die Arbeit“ zählen die Experten von asana „sämtliche Tätigkeiten, die Sie im Laufe des Tages ausführen und die nicht die eigentliche Facharbeit betreffen, für die Sie eigentlich eingestellt wurden“. Gemeint sind damit „die banalen, zeitaufwendigen Dinge, von denen die meisten Leute einfach annehmen, dass sie zum Job dazugehören“ – seien es Absprachen im Team über Arbeitsvorgänge, die Suche nach Informationen, das Hin- und Herwechseln zwischen Apps, der Umgang mit sich verändernden Prioritäten oder das Einholen von Projekt-Updates.

Das US-Unternehmen hat für seinen „Bericht zur Anatomie der Arbeit 2021“ weltweit 13.000 Wissensarbeiter – also Fachkräfte, die den Großteil ihrer Arbeit an einem Computer erledigen – dazu befragt, wie sie ihre Zeit bei der Arbeit verbringen. Gut 2.000 der Befragten arbeiten in Deutschland.

Zwei Beispiele aus der Studie:

  • Zwar führen Teams bei der mobilen Arbeit weniger Ad-hoc-Gespräche, doch führt das nicht zu kürzeren Arbeitstagen. Denn statt informeller Gespräche gibt es nun jede Mange zusätzliche Meetings, die einzelne Mitarbeiter über das vergangene Jahr 157 Stunden gekostet haben.

  • Im Büro vor Ort helfen Gespräche unter Nachbarn dem Informationsfluss. Wenn allerdings informelle Infos und kurze Nachfragen durch halbstündige Meetings ersetzt werden, bleibt weniger Zeit für Facharbeit übrig: Die Produktivität fällt abrupt.

Doppelte Arbeit

Aber endlose unnötige Meetings seien nur ein Teil der Auswirkungen von „Arbeit rund um die Arbeit“, mahnen die Studienautoren: Fehlende Klarheit über Rollen, Verantwortlichkeiten und Zielsetzungen führten zusammen mit einer Zunahme an Nachrichten, Meetings und Tools zu einer „beunruhigenden Entwicklung“: So verbrachten Teams im vergangenen Jahr 13 Prozent ihrer Zeit mit Arbeit, die bereits erledigt wurde – 2019 waren es lediglich zehn Prozent. „Als direkte Folge davon verschwenden Mitarbeiter 236 Stunden pro Jahr mit Doppelarbeit“, heißt es bei asana.

Kultur der Klarheit

Und trotz aller Video-Gespräche hätten Teams weniger Klarheit denn je darüber, wer für welche Arbeit verantwortlich sei und was bis wann erledigt werden müsse. „Wir brauchen klare Prozesse für die Planung, Organisation und Priorisierung von Arbeiten und Aufgaben – egal ob im Büro oder daheim, um diese Probleme in diesem Jahr anzugehen“, fordern die Studienautoren daher.

Die ausgelasteten Führungskräfte und ihre Teams müssten sich über ihre täglichen, wöchentlichen und langfristigen Prioritäten im Klaren sein. Teams sollten eine „Kultur der Klarheit“ fördern, um zu wissen, wer was mache – und um wertvolle Zeit nicht mit Arbeit zu verschwenden, die bereits abgeschlossen wurde.

Zu viele Anwendungen – zu wenig Flexibilität

Dass Fachkräfte im Büro heute digital arbeiten und immer vernetzt sind, mag produktivitätssteigernd klingen – führt laut Studie allerdings auch dazu, dass sie 25 Mal am Tag zwischen zehn Anwendungen hin- und herschalten. In Teams, die gerade zum mobilen Arbeiten übergehen, würden oft zusätzliche Anwendungen eingeführt, um die gewohnte Büroumgebung nachzubilden – doch das habe „unbeabsichtigte Folgen“: Mehr als ein Viertel aller Befragten räumten ein, beim Hin- und Herwechseln zwischen Anwendungen gingen Handlungen und Nachrichten verloren. Etwa genauso viele Mitarbeitende gaben an, sie seien „durch zu viele Tools weniger effizient“. Wer öfter von Anwendung zu Anwendung wechsele, hat laut Studie zudem mehr Probleme mit der effektiven Priorisierung der eigenen Arbeit.

„Focus Sprint“ als Ausweg

Gemäß der Produktivitätsforschung des Becoming Superhuman Lab an der UC Berkeley, die in der Studie zitiert wird, glauben 92 Prozent aller Wissenarbeitenden, dass ein separater täglicher Block von ununterbrochener Arbeitszeit, ein sogenannter „Focus Sprint“ – bei dem sie nicht zwischen Anwendungen hin- und herwechseln oder ihren Posteingang überprüfen – ihre Produktivität (und die ihres Teams) verbessert. Wenn Führungskräfte „Focus Sprints“ in ihren Teams einführen, berichten ihre Teammitglieder von einer Produktivitätserhöhung um 43 Prozent.

Die Studienautoren bei asana halten das für plausibel: „Von Kontextwechseln spricht man bei schnellen Übergängen von einer Aufgabe zur anderen – zum Beispiel, wenn Sie Ihre Arbeit unterbrechen, um an einer spontanen Telefonkonferenz teilzunehmen oder eine Frage zu einem anderen Projekt zu beantworten.“ Kontextwechsel mögen harmlos klingen, doch seien sie mehr als eine Ablenkung: Sie können die Arbeit stark stören und mentale Energie verbrauchen.

 

Kontextwechsel kosten Produktivität

„Multitasking ist ein Märchen“, zitiert die Studie daher auch Sahar Yousef, Neurowissenschaftlerin an der UC Berkeley: „Tatsächlich besteht es aus raschem Hin- und Herwechseln zwischen Aufgaben. Und jedes Mal, wenn Sie das machen, hat das einen ‚Preis‘ – Sie verbrauchen sowohl Zeit als auch Energie.“ Deswegen sei „Monotasking“ fast immer effizienter: „Konzentrieren Sie sich auf eine Sache, bis Sie fertig sind, so dass Sie keine unnötigen ‚Verluste‘ beim Wechseln hinnehmen müssen.“

Text: Ingo Schenk

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