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Ein Leben als Digitaler Nomade – Traum oder Albtraum? 

Heute Berlin, morgen Paris und nächsten Monat Stockholm – oder vielleicht einfach direkt Bali. So stellen sich viele das digitale Nomadenleben vor. Arbeiten von überall aus und dabei nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden sein. Unser Kolumnist Markus Sekulla hat diesen Sommer erneut versucht, als digitaler Nomade die Arbeit genauso effektiv zu erledigen, wie vom heimischen Schreibtisch. Mit ernüchterndem Ergebnis. 

Selbstbestimmtheit und Freiheit 

Mir schien das Leben als Angestellter nie erstrebenswert. Warum? Der oft feste Tagesablauf. Vorgaben von Arbeitgebern. Feste Urlaubstage oder noch schlimmer: Feste Arbeitszeiten. Meist heißt es zwischen 8 und 10 Uhr im Büro zu erscheinen. Meetings und feste Termine legen den Arbeitsrhythmus fest. Auf der anderen Seite gibt es natürlich mehr Sicherheit. 

Freelancer hingegen sind freier in der Gestaltung ihres Arbeitslebens. Man kann entscheiden, wann und wo man wie arbeiten möchte, solange die Aufgaben erfüllt sind. Ich bin schon so gut wie mein ganzes Arbeitsleben Freiberufler und habe mich immer wohl damit gefühlt. Leider bin ich kein Programmierer oder SEO Spezialist. Da wäre es einfacher auch von überall zu arbeiten. Zwar kann man wie viele andere hervorragend von überall Dropshipping machen und noch mehr Produkte online verkaufen, die eigentlich kein Mensch braucht, aber das empfinde ich nicht als erstrebenswert. Dazu gibt es einen tollen Long-Read bei Wired, den ich hier wärmstens empfehlen kann: Inside the weird, get-rich-quick world of dropshipping

Ich bin Kommunikationsberater und da braucht man schon häufiger den Face to Face Kontakt, vor allem in der Anbahnung von Projekten. So zumindest war immer die gängige Meinung. Dann kam Corona und nahezu alle Meetings haben nur noch online stattgefunden. Selbst das Aufgleisen von neuen Projekten lief erstaunlich gut und so habe ich überlegt, ob man nicht mal wieder einen Versuch unternehmen sollte, von einem anderen Ort – einem schöneren Ort – zu arbeiten als von meinem Schreibtisch in Düsseldorf. 

So war ich erst kürzlich drei Wochen auf „Workation“ in Schweden und wolle dort Urlaub und Arbeit miteinander verbinden. Ich könnte die Natur genießen, mit schönem Ausblick in unseren gemütlichen Campingstühlen oder am Steg eines kleinen Sees sitzen und dazu ein paar berufliche Aufgaben erfüllen. So die Theorie. 


Von Motivation, Internet und dem Klima

Doch das Leben als Digitaler Nomade ist ernüchternder als man denkt. Die Natur, kulturelle Angebote und neue Menschen verlocken eher zum Ausbruch aus der Arbeitsroutine und lassen die Motivation an PowerPoint Präsentationen zu schrauben, in den Keller sinken. Man stellt sich das immer so toll vor, dass man an einem Surferspot in Bali in einem Strandcafe sitzt und coole Projekte abreißt. Dabei vergessen die meisten eine Sache: Man hat an schönen Orten oft gar keine Lust zu arbeiten.

Aber scheinbar „leide“ nicht nur ich darunter, sondern es ist eine Herausforderung für die meisten digitalen Nomaden. Was dagegen tun? Mir hilft es, feste Routinen zu etablieren. Für mich ist es zur Normalität geworden, mir feste Zeitblöcke zum Arbeiten zu setzen. So arbeite ich immer im Wechsel. Erst arbeite ich 1,5 Stunden, lege danach eine Stunde Pause ein, um dann weiterzuarbeiten. Kleine Gadgets wie Time-Tracker helfen mir dabei, die volle Kontrolle zu behalten. 

Ein weiteres wichtiges Thema: das Internet. Ein unverzichtbarer Bestandteil im Leben eines digitalen Nomaden. Jetzt werden viele zwar sagen, dass auch Deutschland nicht gerade für das beste Internet der Welt bekannt ist, denn wir alle schlagen uns jeden Tag mehr oder minder mit kleineren Internetproblemchen herum. Im Großen und Ganzen ist es jedoch stabil. In vielen anderen Ländern dieser Welt sieht das nicht so aus. So kann es gerade bei abgelegeneren Orten in der Welt passieren, dass die Internetverbindung streikt oder erst gar nicht vorhanden ist. Satelite-Internet kann hier die Lösung sein. 

Einen negativen Aspekt möchte ich aber noch ansprechen. Es handelt sich um die CO2-Belastung. Er ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, denn die meisten digitalen Nomaden reisen und das nicht unbedingt mit dem Zug, sondern vor allem mit dem Flugzeug. So habe ich meinen ersten Versuch des Nomadenlebens vor einigen Jahren in New York City unternommen. Das hat leider aus verschiedenen Gründen nicht geklappt, vor allem, da es früher notwendiger war als heute Menschen Face2Face kennen zu lernen. Und für jeden Neukundentermin zurück nach Deutschland zu fliegen, wäre absoluter Quatsch gewesen. Da man aber bei existierenden Kunden den wirklich wichtigen Meetings (etwa beim Kaffee oder beim Lunch) nicht mehr beiwohnen konnte, war es in meinem Bereich auch schwer, diese Kunden auf längere Sicht zu halten. Und ohne Projekte ist der ambitionierteste remote Worker auch nur ein Tourist.

Fazit

Wenn die Art des Jobs es erlaubt und wenn man gut im Job etabliert ist, sich zudem noch gut motivieren kann, dann gibt es nichts Besseres als das Leben als Digitalnomade. Mein Tipp: Einfach mal versuchen ohne hier gleich alle Zelte abzubrechen. Einen Monat eine schöne Wohnung mieten und schauen, ob man am Sehnsuchtsort überhaupt arbeiten kann oder möchte. Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer.

Text: Markus Sekulla

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