New Mobility

Das autonome Auto kommt – und das wirft Fragen auf

Autos, die ohne Fahrer durch die Stadt rollen. Lieferfahrzeuge, die wie von Geisterhand Ware transportieren. Das autonome Auto soll die Mobilität revolutionieren. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass diese Fahrzeuge auf die Straße kommen, fragt sich //next Kolumnist Don Dahlmann.

Smart Car (HUD) ,Autonomes selbstfahrendes Verkehrsträgerfahrzeug auf der Autobahn iot Konzept mit grafischen Sensor Radarsignalsystem

Die Passanten, die im Sommer 1925 am Rande des Broadway und der Fifth Avenue schlenderten, staunten nicht schlecht: Als New Yorker war man zwar auch schon in den 1920er-Jahren so Einiges gewohnt. Autos waren längst zum festen Bestandteil des Lebens in Manhattan geworden und schon lange keine Besonderheit mehr. Was die Einwohner aber da sahen, war völlig neu. Ohne sichtbaren Chauffeur oder Fahrer bewegte sich da ein Auto wie von Geisterhand gesteuert durch den Berufsverkehr. Tatsächlich saß niemand im großen Fahrzeug der Marke Chandler. Das Auto fuhr alleine.

 

In Wirklichkeit wurde das Auto von einem Fahrzeug gesteuert, das an der Stoßstange des Chandler hing. Kleine Elektromotoren an der Lenkung, den Bremsen und dem Gaspedal bekamen per Fernbedienung ihre Befehle. Das klappte erstaunlicherweise, doch wie die New York Times anmerkte, ging auch Einiges schief: „Der Funkwagen schlingerte von links nach rechts, den Broadway hinunter, um den Columbus Circle herum und südwärts auf der Fifth Avenue, wo er fast in zwei Lastwagen und einen Milchwagen hineinfuhr, die sich aus Sicherheitsgründen auf den Bordstein flüchteten.“ Dem Erfinder, der den leicht bizarren Namen Francis Houdina führte, brachte die Erfindung – außer ein paar Zeilen in der Presse – nicht viel ein.

Knapp 100 Jahre später ist es aber soweit: Das autonome Auto steht in den Startlöchern. In den USA und in China gibt es schon die ersten Taxi-Services, die ihre Kunden ganz ohne Fahrer zu ihrem Ziel bringen. Und der Autohersteller Tesla hat angekündigt, dass auch seine Fahrzeuge demnächst komplett autonom unterwegs sein könnten. Aber so ganz trivial ist der Einsatz nicht, denn hinter den autonomen Fahrzeugen steckt viel Technik. 

Voraussetzungen für die autonome Fahrt

Wie groß der Aufwand ist, wird alleine durch die Liste der Sensoren und Kameras, ohne die eine autonome Fahrt nicht möglich wäre, klar. Da wären: Eine Front- und eine Heckkamera, eine Stereokamera, die nach vorne blickt, eine eigene Kamera für die Erkennung von Ampelanlagen, die gesamte Sensorenphalanx des Autos wie ESP, der Abstandshalter, der Geschwindigkeitsmessung, der Straßenerkennung, der Schildererkennung sowie ein 360 Grad Radar, das zusätzlich Hindernisse erkennen kann. All dies ist nötig, damit das Auto überhaupt etwas sehen kann. Alleine die Daten dieser Sensoren korrekt auszulesen und in Sekundenbruchteilen zu bewerten, stellt die Wissenschaftler noch vor Probleme.

Aber die komplizierte Technik, die man in den Griff bekommen muss, ist nur die eine Seite. In Zukunft werden die Autos alleine die Entscheidung treffen, ob ein Passant oder der eigene Fahrer ums Leben kommt. Sind Autofahrer also bald nur noch austauschbares Personal für ihre Autos die über Leben und Tod entscheiden?

Drei unterschiedliche ethische Standpunkte

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin sieht anders. „Das Auto kann hier nichts entscheiden. Es existiert in der modernen Ethik eine rationalistische Tradition, die davon ausgeht, dass es immer eine beste Lösung gibt. Doch das halte ich für falsch. Wir befinden uns hier vielmehr in einer klassischen dilemmatischen Situation."

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geisteswissenschaften/ethische-prinzipien-fuer-autonome-autos-13722800.html

Die in der letzten Legislaturperiode eingesetzte Ethik-Kommission des Verkehrsministeriums kam in ihrem Bericht allerdings zu einem leicht anderen Bild. In Gefahrensituationen habe das menschliche Leben immer vor Sachschäden Vorrang. Was logisch klingt, aber es stellt dann auch die Frage, ob ein Auto bei einem drohenden Unfall lieber ausweichen sollte. Statt eines Kindes ist nach dieser Logik ein Unfall mit einem parkenden Auto vorzuziehen – mit den entsprechenden Konsequenzen für den Fahrer. 

https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2017/084-dobrindt-bericht-der-ethik-kommission.html

Alexander Mankowsky, Zukunftsforscher bei Daimler, sieht das anders. Er ist der Meinung, dass ein autonomes Auto gar nichts darf außer zu bremsen. Ein Unfall sei immer ein totaler Kontrollverlust. Niemand könne alle möglichen Konsequenzen eines Unfalls vorherberechnen, noch könne man dies im Moment des Unfalls. Von daher sei es die einzige Aufgabe, die ein autonomes Auto im Falle einer Karambolage übernehmen sollte, die der Energievernichtung. Das Auto solle so schnell wie möglich die Aufprallenergie reduzieren, aber auf gar keinen Fall ausweichen oder sonstige Dinge tun.

Keine technologiefeindliche Panik, bitte!

Schnell wird klar: Man kann nicht einfach geltende ethische Prinzipien auf eine künstliche Intelligenz übertragen. Es mag für alle Gesellschaften dieser Welt als Prinzip gelten, dass das Leben von Menschen ein schützenswertes Gut ist. Aber wie weit dieser Schutz getrieben werden darf – darüber gibt es dann schon wieder unterschiedliche Auffassungen. Muss eine KI über die Nuancen gesellschaftlicher Akzeptanz im Todesfall Bescheid wissen? 

Dass die Diskussion geführt wird, bevor überhaupt die ersten Autos mit serienmäßigen Autopilot auf der Straße sind, ist zu begrüßen. Man darf aber auch nicht in technologie- feindliche Panik verfallen. Unbestritten ist, dass autonome Fahrzeuge einen erheblichen Teil der heutigen Unfälle verhindern werden. Circa 80 Prozent aller Unfälle haben menschliches Versagen als Ursache. Fahrer lassen sich ablenken, sind müde, überfordert und leider auch oft angetrunken. Das passiert einer KI nicht. Dazu kommt, dass die Reaktionszeiten einer KI deutlich schneller sind, als die eines Menschen. Die KI von autonomen Autos wird also Menschenleben retten. 

Die ethischen Grundlagen, nach denen sie ihre Entscheidungen trifft, können wir aber jetzt festlegen. Die Ethik-Kommission hat hierfür schon eine Basis geschaffen. Sie gibt den Entwicklern ein Leitmotiv, ohne sie technologisch auszubremsen. Künstliche Intelligenz wird nicht nur im Auto eine der wichtigsten Antreiber neuer Wirtschaftszweige sein. Regeln für sie sind wichtig, aber sie darf nicht in ein zu enges Korsett gesteckt werden. 

Text: Don Dahlmann

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