New Mobility

Wie Städte in Europa sich die Mobilität der Zukunft vorstellen

Eingefleischte Autofahrer werden sich auf andere Zeiten einstellen müssen, der bisherige König der Straße muss Platz machen für andere Mobilitätskonzepte - davon ist //next-Kolumnist Don Dahlmann überzeugt. Vor allem in Europa hätten einige Metropolen schon seit Jahren teilweise radikale Maßnahmen ergriffen, um Autos aus den Städten zu treiben.


Über viele Jahrzehnte drehte sich die Stadtplanung nur um eine Frage: Wie bekommen wir möglichst viele Autos störungsfrei in und durch die Stadt. Der Hannoveraner Architekt Hans Bernhard Reichow hat 1959 die Idee dazu in dem Buch „Die Autofreie Stadt“ formuliert und die Stadtplaner stürzten sich begeistert auf die Idee dem Auto in den Städten Platz zu machen. Das führte zu teilweise haarsträubenden Auswüchsen. So wurde in Bremen ein mittelalterliches Kloster, dass den zweiten Weltkrieg überlebt hatte, abgerissen, weil es einem Parkhaus Platz machen musste. Die Narben, die diese Planung in den Städten hinterlassen hat, sind heute fast überall noch zu sehen. Und sie ging vor allem zu Lasten der Fußgänger und Radfahrer, die immer mehr an den Rand der Straße gedrängt wurden. Wenn denn überhaupt Platz für sie übrigblieb.

Imagekrise für den „Liebling der Menschen“

Der Streit um den Platz in der Stadt geht aber jetzt in neue Runde. Die Frage, ob das Auto noch mehr Platz einnimmt, ist eindeutig mit „Nein“ beantwortet. Und mal ehrlich, wo soll der Platz auch noch herkommen? Man müsste schon anfangen Häuser abzureißen, um noch mehr Raum für Fahrzeuge zu schaffen. Die Diskussion bekam in den letzten Jahren durch den Klimawandel neuen Schwung. Denn plötzlich war das Auto nicht mehr der Liebling der Menschen, der ungekrönte König der Straße, sondern der Verursacher CO2 und anderen Emissionen, die den Klimawandel beschleunigen. Das führte dann auch dazu, dass man sich bewusst wurde, wie viel Platz ein Auto, das zu 95 Prozent seiner Lebenszeit nur steht, in der Stadt verbraucht. 

Die Lockdowns in der Corona-Zeit, als der Verkehr fast zum Erliegen kam, zeigte dann plötzlich, dass es auch anders gehen kann. Viele Städte nahmen die Gelegenheit war und errichteten neue Radwege in dem sie Auto einfach Fahrspur wegnahmen. Was in Deutschland als halbe Revolution gefeiert wurde, ist aber in anderen Städten längst normal. Vor allem in Europa haben einige Metropolen schon seit Jahren teilweise radikale Maßnahmen ergriffen, um das Auto aus den Städten zu treiben.

Fahrradstädte Kopenhagen und Paris

Bekannt ist die Fahrradstadt Kopenhagen, in der fast 50 Prozent der Einwohner mit dem Fahrrad unterwegs sind. Das ist deutlich mehr als in anderen Städten, wo der Anteil zwischen 10 und 20 Prozent liegt. Aber auch andere Städte holen auf. Vor allem die französische Hauptstadt Paris hat in den letzten Jahren drastische Maßnahmen ergriffen, um den Autoverkehr zu reduzieren.

Seit einigen Jahren schon testet man verschiedene neue Formen der Mobilität aus. Sei es Carsharing, E-Scooter oder einen Fahrradverleih. Seit zwei Jahren bemüht man sich nun die verschiedenen Konzepte zu bündeln, um den Einwohnern ein multimodales Mobilitätsmodell anzubieten, dass ineinandergreift und das Auto mehr oder weniger überflüssig macht. Nun geht man noch einen Schritt weiter.

Ganze Stadtteile sollen in Zukunft komplett autofrei sein, darunter das Gebiet um das weltberühmte Louvre Museum. In allen Stadtvierteln werden massiv Parkplätze abgebaut. Fast jeder öffentliche Parkplatz soll verschwinden, geparkt kann dann nur noch in Garagen und Parkhäusern. Nach und nach sollen die Fahrverbote ausgeweitet werden, so dass der private Autoverkehr innerhalb des Stadtrings komplett wegfallen soll. 

Neue Straßen ausschließlich für Busse

Das ist schon sehr aggressiv, aber Paris steht nicht allein. Barcelona stellt seit einigen Jahren die Innenstadt auf weniger Verkehr um und in ganz Spanien gilt seit Anfang 2021 ein generelles Tempolimit von 30 km/h in der Stadt. Ausnahmen gibt es nur für zweispurige Ausfallstraßen. Insgesamt will man in Barcelona 60 Prozent der existierenden Straßen umwidmen und autofrei machen.

Auch außerhalb von Europa überlegt man, wie man dem Verkehr Herr werden kann. Viele Metropolen in Afrika stehen vor einem doppelten Problem. Zum einen wachsen sie rasant, zum anderen fehlt bisher ein guter öffentlicher Nahverkehr. Die Menschen nutzen also das Auto. Dar-Es-Salaam, die Hauptstadt von Tansania, stand auch vor dem Dilemma. Man geht die Sache aber pragmatisch an. Es werden neue Straßen gebaut, die sind aber ausschließlich für Busse gedacht. Auto sind dort verboten. Der Bus kann so neue Stadtteile erreichen und am Stau vorbeifahren. 

Der König der Straße muss Platz machen

Eingefleischte Autofahrer werden sich also auf andere Zeiten einstellen müssen, der bisherige König der Straße muss Platz machen. Allerdings werden diese Veränderungen nicht von heute auf morgen kommen. Denn erst, wenn man in einer Stadt die nötigen alternativen Transportmöglichkeiten geschaffen hat, kann man den nächsten Schritt machen und ganze Stadtviertel autofrei zu machen. Und davon sind vor allem deutsche Städte noch weit entfernt.

Text: Don Dahlmann

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