New Mobility

Wird das Auto abgeschafft?

Städte verringern den Platz für Autos, Bürgerinitiativen wollen das Auto in Metropolen gleich ganz abschaffen. Ist die Blütezeit des Autos vorbei? Ein paar Gedanken hierzu von //next-Kolumnist Don Dahlmann.

Seit knapp 100 Jahren ist das Auto der König der Straße. Innerhalb weniger Jahre verdrängte es die angestammten Pferdefuhrwerke und Kutschen. Doch auch die Fußgänger mussten sich umstellen: Ihr Platz in den Städten wurde beschnitten und zu Gunsten des Autos umgewidmet. Das passierte nicht immer ohne Widerstand. So wollten erboste Bürger in einigen US-Städten das Auto in ihren Städten verbieten. Und auch in Deutschland gab zu Beginn des vergangenen Jahrtausends erhebliche Vorbehalte gegenüber der zunehmenden Motorisierung.

Aber in den vergangenen 70 Jahren gab es keinen Zweifel daran, dass das Auto das wichtigste Transportmittel ist. Ganze Städte wurden umgebaut, um dem Auto Platz zu machen. Die Idee der autogerechten Stadt basierte auf der Annahme, dass man nur genug Platz für das Auto schaffen müsse – und schon werde das Leben deutlich besser. Der berühmte Architekt Le Corbusier entwickelte dafür die Vision vertikaler Städte, in denen Hochhäuser nur noch von breiten Straßen umgeben waren. Für Fußgänger war da kein Platz. Warum auch, in der Welt von Le Corbusier hatten alle ein Auto. 

 

Es gibt zu viele Autos

Der dahinterstehende Grundgedanke, dass jeder mindestens ein Auto sein Eigen nennt, hat aber zu den bekannten Problemen geführt. Es gibt schlicht und ergreifend zu viele Autos in unseren Städten. Die jährlichen Statistiken über die Zeit, die jeder Autofahrer im Durchschnitt im Stau verbringt, belegen das deutlich: In München steht man 87 Stunden im Stau, berichtet der Verkehrsdatenanbieter Inrix. In Berlin sind es 66 Stunden, in Köln immerhin noch 41 Stunden.

Es gibt also eine Menge Gründe, die Zahl der Autos in den Städten zu reduzieren. Aber manche Bürgerinitiativen wollen die Sache noch radikaler angehen. So gibt in der Hauptstadt die Initiative „Berlin Autofrei", die jeglichen privaten Autoverkehr in der Innenstadt abschaffen will. Nur einmal pro Monat soll es Bürgern erlaubt sein, mit dem Auto in Berlin unterwegs zu sein. 

Paris als Vorbild?

Wer glaubt, es handele sich nur um ein paar radikale Autohasser, sollte seinen Blick auf Paris richten. Dort nämlich wird das Auto zwar nicht verboten, doch hat Bürgermeisterin Anne Hidalgo klargemacht, dass sie die meisten Autos aus der Stadt haben will. Ihre Verwaltung plant den Umbau der Metropole zu einer „15 Minuten Stadt". Egal, wo man in der Stadt wohnt: Alle wichtigen Erledigungen sollen sich in 15 Minuten Fahrzeit mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV schaffen lassen. Der berühmte sechsspurige Champs-Élysées soll samt dem Kreisverkehr rund um den Arc de Triomphe zu einem Park werden.

Ist das Ende des Autos nach über 100 Jahren also besiegelt? Ganz so schnell wird das nicht passieren. Bisher sind das alles nur Ideen, und die Befürworter des Autoverkehrs halten dagegen. Denn wie sollen die Innenstädte bevölkert werden, wenn keiner mehr mit dem Auto hineinfahren kann? Wie sollen Geschäfte und Restaurants existieren, wenn niemand mehr spontan vorbeifahren kann? 

Alternativen holen auf

Natürlich lassen sich Alternativen denken. Der öffentliche Nahverkehr ist sicher ausbaufähig, Carsharing kann gute Dienste leisten – und in Zukunft wird es vielleicht auch mal autonome Taxi geben, die einen auf Zuruf für wenig Geld durch die Stadt fahren.

Doch das Problem liegt nicht in der Stadt, es liegt davor: Die Vorstädte und Speckgürtel der Metropolen sind dicht besiedelt, was eine Folge der Idee einer autogerechten Stadt ist. Was aber fehlt, ist ein direkter Anschluss dieser Lebensbereiche an die Stadt selber. Es mag noch einen S-Bahn oder Bus Anschluss geben, aber das ist für Familien nicht praktikabel. Doch wie sollen diese dann in die Stadt kommen? Sollen die Familien mehrfach mit Sack und Pack umsteigen, um in der Stadt ein paar Dinge einzukaufen? So angenehm die Vorstellung einer Stadt ohne privaten Autoverkehr sein mag: Sie ist nicht umsetzbar. 

Zahl der Autos reduzieren

Durchaus machbar ist aber eine starke schrittweise Reduzierung des privaten Autoverkehrs in den zentralen Lagen der Innenstadt. Die Instrumente dafür sind schon heute in vielen Städten vorhanden. Sei es ein guter ÖPNV, Carsharing, Bikesharing oder E-Scooter – mit all dem in Kombination lässt sich das eigene Auto durchaus ersetzen.

Aber verschwinden wird das Auto in den nächsten 100 Jahren sicher nicht. Dafür ist es zu wichtig und, da muss man ehrlich sein, auch zu bequem. Das Auto wird ein wenig Platz machen müssen, aber es wird weiter unser Stadtbild beherrschen.

Text: Don Dahlmann 

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