New Mobility

Metamobilität: Eine konkrete Vision des Metaversums

Auf der diesjährigen Consumer Electronics Show (CES) wurde das Thema Metaversum vor allem von einem Unternehmen bespielt: dem Autohersteller Hyundai. Genauer gesagt stellte Hyundai eine Art Unterkategorie des Metaversums vor: die Metamobilität. Mit diesem Konzept beschäftigt sich das Unternehmen mit der Frage, wie Mobilität im Zeitalter des Metaversums aussehen könnte.

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Metamobilität – was soll das sein?

Unter Metamobilität stellt sich Hyundai eine durch die Mischung von Technologien ermöglichte, erweiterte Erreichbarkeit der Welt für den Menschen vor. Als veranschaulichendes Beispiel zeigt das Unternehmen ein Video: Ein Vater sitzt mit kleiner Tochter in einem futuristischen Omnibus. Die an ihnen ruhig vorbeigleitende Stadt nehmen die beiden kaum wahr, denn sie können ihre Umgebung durch eine multisensorische Augmented Reality beliebig anpassen. Um sich die Zeit im Bus zu vertreiben, beschließen sie, auf diese Weise auf den Mars zu reisen.

Mit wenigen Gesten verändern sie das Innere des Omnibusses in die Marsoberfläche. Was nach virtueller Realität klingt, ist jedoch mehr als das. Was das Vater-Tochter-Gespann wahrnimmt, ist keine virtuelle Inszenierung, sondern die tatsächliche, simultan von einem Roboter gescannte Oberfläche des Mars. Übertragen wird nicht nur das Bild, sondern auch taktile Information – die Nutzer können das Marsgestein und sogar einen Sandsturm fühlen.

Diese Form der Metamobilität nennt Hyundai „Proxy Experience“, also Stellvertreterwahrnehmung. Als Stellvertreter dient der an einen Hund erinnernde Roboter „Spot“ von Boston Dynamics. Das Unternehmen, das sich auf autonome Roboter spezialisiert hat und durch viral geteilte Videos ihrer Roboter bekannt wurde, wurde erst Ende 2020 von Hyundai übernommen.

Auf der Hyundai-Homepage stellt das Unternehmen noch weitere Elemente seiner Vision vor. Zur Metamobilität gehört nicht nur die Proxy Experience, sondern auch eine Reihe kleiner, vernetzter und modularer Mobilitätslösungen. Zentraler Baustein sind Radelemente, die sich im größeren Modell um 180 Grad und im kleinen Modell vollständig frei um eine senkrechte Achse drehen lassen. Sie sind als autonome Elemente konzipiert, die sich vernetzen können. Die kleinen Radmodule sollen sich frei an beliebigen stabilen Gegenständen befestigen lassen, zum Beispiel an Transportboxen, kleinen Einsitzer-Kabinen oder an Plattformen. Die Grundidee: Menschen sollen nicht mehr zum Gegenstand, sondern der Gegenstand zu den Menschen kommen.

Hyundai entwirft ein Luftschloss – aber mehr als reine Worthülsen

Die meisten der gezeigten Technologien existieren noch nicht einmal in der Theorie – geschweige denn als Prototyp oder Produkt. Trotzdem ist das Konzept „Metamobilität“ mehr als nur eine Ansammlung von Worthülsen, wie es bei anderen Konzepten und Gesprächen rund um das Metaversum manchmal erscheint.

Dadurch, dass Hyundai bekannte Technologien (Omnibus, eine erweiterte VR und den Roboter Spot) und das Alltagsgeschehen (Busfahren, Reisen, Träumen) in das Konzept einfließen lässt, wird Metamobilität vorstellbar – auch wenn viele der dargestellten Zukunftstechnologien so vielleicht nie kommen werden. Das Beispiel Busfahrt zeigt vieles auf einmal: So wie wir uns heute auf langweiligen Busfahrten in unseren Smartphones vertiefen, könnte es möglich werden, Zeit und Raum zu überwinden und sich stattdessen ins Metaversum zu begeben – ohne dass der Übergang eine besondere Hürde darstellte. Virtueller und realer Raum sind gleichwertig, die Grenzen verschwimmen in der Konvergenz.

Agieren im Metaversum – wer trägt die Verantwortung?

Mit den sehr unkonkreten, abstrakten Zukunftsträumen, die das Metaversum zurzeit umgeben, lässt sich kaum mutmaßen, was für Auswirkungen diese vermutete Entwicklung auf unsere Gesellschaft haben wird. Mit der Vision von Hyundai lassen sich aber einige mögliche Entwicklungen abschätzen: Angenommen, wir könnten uns tatsächlich irgendwann durch Roboter „remote“ auf andere Planeten begeben, ohne den Roboter als zwischengeschaltetes Medium wahrzunehmen – was bedeutet das für die Verantwortlichkeit unserer Aktionen?

In Bezug zu autonomen Fahrzeugen wird seit einigen Jahren viel darüber diskutiert, wer im Falle eines Unfalls Verantwortung trägt. Ist es der Fahrer, die Entwicklerin, das Unternehmen oder das Auto selbst? Eine ähnliche Frage kann man auch für das Metaversum stellen. Wenn ein Schaden entsteht, während ich mit einem Roboter per Proxy Experience verbunden bin – habe ich diesen Schaden dann verursacht, der Roboter oder das System, das uns verbindet?

Mark Zuckerberg benutzt gerne den Begriff „embodied Internet“ für seine Vision des Metaversums – also „verkörpertes Internet“. Das kann man auf zwei Weisen interpretieren: Entweder wird das Internet ad hoc Teil des menschlichen Körpers. Der Fall scheint dann recht klar zu sein: Der Roboter hat als eine Erweiterung meiner Selbst agiert und dabei einen Schaden verursacht. Ich bin also dafür verantwortlich.

Auf die andere Weise interpretiert, wird alles etwas komplizierter. „Embodied Internet“ meint dann, dass Internet-Technologien verkörpert werden. Im Hyundai-Video agiert der Roboter Spot nicht als reine Erweiterung einer einzelnen Person. Er stellt die Daten für das Remote-Erlebnis zur Verfügung, agiert aber selbstständig auf Anfrage. Das entspricht dem Anspruch des Metaversums: Es soll schließlich die Limitationen unserer jetzigen Gesellschaft aufbrechen, und dazu gehört auch das Konzept vom agierenden Menschen und der gehorchenden Technik.

Damit das Metaversum und die Metamobilität zur Realität werden können, muss also noch vieles geschehen. Und nicht nur in Sachen Technologie, sondern auch in unserem Verständnis von Verantwortlichkeit.

Text: Nils Bühler

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