In der Diskussion um Elektroautos werden von Skeptikern limitierende Faktoren wie Reichweite, fehlende Infrastruktur, Verfügbarkeit und hohe Preise angeführt. In der Tat gibt es diese Probleme – doch sind sie nur eine Momentaufnahme am Anfang einer langen Reise, die gerade erst begonnen hat.
Immer dann, wenn eine neue Technologie so weit entwickelt ist, dass fortschrittliche Denker sie nutzen, um eine etablierte Technologie in Frage zu stellen, kommt es zu einem unfairen Vergleich: Status quo versus Zukunft. Dabei hat die etablierte Technologie nicht nur den Vorteil einer jahrelangen Entwicklungszeit, in der Probleme bereits gelöst wurden, sondern ihr spielt auch die Natur des Menschen in die Hände. Menschen sind „Gewohnheitstiere“.
Doch was bedeutet dieses Sprichwort eigentlich? Eine Gewohnheit ist vergleichbar mit einer automatischen Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens eine Vielzahl solcher Gewohnheiten. Sie sind attraktiv, weil sie Komplexität reduzieren und Komfortzonen mit geringer kognitiver Belastung schaffen. Das menschliche Nervensystem braucht eine gewisse Zeit, um sich an etwas zu gewöhnen. Noch länger dauert es, einmal eingeschliffene Gewohnheiten wieder aufzubrechen und zu verändern.
Die Argumente der E-Auto-Skeptiker sprechen zweifellos bestehende Probleme an. Allerdings gilt dies für den Moment, kaum aber für die Zukunft. Welche Lösungen könnte es geben – und welche Entwicklungen zeichnen sich für die Zukunft ab?
Die Reichweite von Elektroautos ist einer der häufigsten Kritikpunkte. Sie liegt zum Teil deutlich unter der eines Verbrennungsmotors und hat zudem das Problem, dass das Aufladen der Batterie deutlich länger dauert als das Tanken eines Verbrennerfahrzeugs.
Die Entwicklung neuer Batterietypen mit höherer Energiedichte gehört daher zu den dringlichsten Entwicklungsaufgaben der Automobilindustrie. Bis zur Serienreife beispielsweise von Festkörperbatterien werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Die ständige Optimierung der bestehenden Batterietechnik wird Fortschritte bringen, aber eher in kleinen Schritten.
Es könnte jedoch auch schneller gehen: In der Schweiz wird derzeit eine neue Gigafactory für Feststoffbatterien gebaut. Swiss Clean Battery plant dort die weltweit erste Serienfertigung für die neue Batteriegeneration, die viele Vorteile mit sich bringt: Sie ist kleiner, leichter, kommt weitgehend ohne kritische Rohstoffe aus, ist nicht brennbar und viermal langlebiger als die bisherigen Lithium-Ionen-Akkus. Die Massenproduktion könnte schon im Frühjahr 2025 beginnen und nicht erst 2030, wie Experten bisher prognostizierten.
Eine weitere interessante Lösung hat der chinesische Hersteller und ERGO Partner NIO bereits auf den deutschen Markt gebracht. An so genannten „Power Swap Stations“ können leere Batterien innerhalb von fünf Minuten gegen eine vollgeladene ausgetauscht werden, so dass sich die Reisezeit bei längeren Fahrten nicht durch zeitaufwendiges Laden verlängert.
Darüber hinaus gibt es auch noch futuristische Visionen. Denn blickt man etwas weiter in die Zukunft, könnte sich das Reichweitenproblem sogar ganz auflösen und sich im Vergleich zum Verbrennungsmotor umkehren. Zum einen ist es denkbar, dass die Kapazität der verwendeten Batterien so stark steigt, dass sie länger halten, als wir fahren wollen und können. Damit könnten Elektroautos in Zukunft eine wichtige Rolle als Speicher für Strom aus erneuerbaren Energiequellen spielen. Über einen bidirektionalen Anschluss könnten sie Strom speichern, wenn zu viel produziert wird, und ihn wieder ins Netz einspeisen, wenn der Bedarf die aktuelle Produktion übersteigt.
Zum anderen könnte das induktive Laden, das bereits bei Smartphones und Tablets zum Einsatz kommt, das Reichweitenproblem überflüssig machen. Im italienischen Brescia ist bereits eine Teststrecke in Betrieb, auf der ein speziell ausgerüsteter Fiat 500e „mit normaler Autobahngeschwindigkeit fahren kann, ohne die in seiner Batterie gespeicherte Energie zu verbrauchen“. Auch Bayern plant für 2025 ein entsprechendes Pilotprojekt auf einer Autobahn.
Die Zahl der Ladestationen für E-Autos sei noch viel zu gering, mahnen Kritiker. Und tatsächlich hinkt der Ausbau der Ladeinfrastruktur den ehrgeizigen Plänen der Bundesregierung weit hinterher. Bis 2030 sollten eigentlich rund eine Million öffentliche Ladepunkte für die bis dahin geplanten 15 Millionen E-Autos stehen. Zum 1. Mai 2023 waren im Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur 73.683 Normalladepunkte und 16.622 Schnellladepunkte gemeldet. In den nächsten sieben Jahren müssten also jährlich rund 130.000 Ladepunkte hinzukommen, um den Plan zu erfüllen.
Kommende Lösungen: Die ursprüngliche Planung ging von Ladeleistungen zwischen elf und 22 Kilowatt aus. Die Schnellladesäulen laden Batterien aber mit bis zu 350 Kilowatt. Das entspricht einer Reichweite von 100 Kilometern in fünf Minuten. Zwar können nicht alle E-Modelle die volle Leistung aufnehmen, doch das spielt für die Versorgung künftig eine untergeordnete Rolle, da der geplante Zuwachs schnellladefähig sein wird.
Hinzu kommen rund eine Million private Wallboxen, mit denen E-Autos zu Hause geladen werden können. Weiteres Potenzial besteht beispielsweise auf Firmenparkplätzen, wo Pendlerfahrzeuge während der Arbeitszeit geladen werden können.
Futuristische Visionen: Mit der Entwicklung neuer Batterietypen könnte sich die Häufigkeit des Nachladens in Zukunft deutlich reduzieren. Insbesondere die Ladegeschwindigkeit wird neben der Kapazität ein wesentlicher Entwicklungsfaktor sein. Auch das bereits erwähnte induktive Laden wäre ein wichtiger Infrastrukturfaktor.
Insbesondere die Herstellung der Batterien sorgt dafür, dass Elektroautos zu Beginn ihrer Nutzung einen größeren CO2-Rucksack mit sich herumschleppen als Verbrenner. Zudem werden für die Batterien Rohstoffe verwendet, die kritisch zu betrachten sind: Lithium, Kobalt, Seltene Erden.
Kommende Lösungen: Auch hier spielt die Weiterentwicklung der Batterien eine Schlüsselrolle. Die nächste Generation wird zwar ebenfalls auf Lithium basieren, aber weitgehend ohne kritische Rohstoffe auskommen. Zudem entsteht der oft kritisierte hohe Wasserverbrauch beim Lithiumabbau nur durch Verdunstung lithiumhaltigen Salzwassers, wie in den Salzwüsten Südamerikas. Dies ist beim Lithium-Bergbau in Australien, dem weltweit größten Abbauland, nicht der Fall.
Futuristische Visionen: Noch basieren Batterien für Elektroautos auf Lithium, doch es gibt bereits Prototypen, die ohne das leichteste aller Metalle auskommen. Als alternatives Anodenaktivmaterial bietet sich beispielsweise Silizium an. Während Lithium nur 0,006 Prozent der Erdkruste ausmacht, kommt Silizium auf 25,8 Prozent. Derzeit verhindert die geringere Energiedichte noch einen schnellen Austausch des Anodenmaterials, was sich aber in Zukunft ändern könnte.
Auch wenn derzeit noch nicht auf Lithium verzichtet werden kann, dürfte der große Bedarf an Batterien mit hoher Kapazität für umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sorgen.
Wir reden über Reichweiten, Nachhaltigkeit der Batterien, Preise und Verfügbarkeit als limitierende Faktoren von E-Autos und vergessen dabei, dass deren Entwicklung gerade erst beginnt. Neue Batterietypen (auch ohne Lithium), sinkende Preise und bessere Verfügbarkeit durch Massenproduktion sind bereits in greifbarer Nähe. Technologien wie das induktive Laden während der Fahrt werden experimentell erforscht und könnten dafür sorgen, dass Verbrenner im Reichweitenvergleich plötzlich nur noch die Rücklichter von E-Autos sehen. Das größte Hemmnis für den Fortschritt steckt in den Köpfen der Menschen.
Hier wiederholt sich die Geschichte, denn bei der Erfindung des Automobils sagten die Kutscher damals: „Automobile werden sich nie durchsetzen, gebt uns lieber schnellere Pferde!“
Heute wissen wir, wie falsch sie lagen.
Text: Falk Hedemann
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