New Mobility

Zahl der Pendler weiter gestiegen

Seit Jahren steigt in Deutschland die Zahl der Erwerbstätigen, die von ihrem Wohnort zur Arbeit und zurück pendeln. Zudem werden die zurückgelegten Strecken immer länger, so dass die durchschnittliche Pendelzeit stetig zunimmt. Dies hat vielfältige Auswirkungen nicht nur auf die individuelle Lebensqualität, sondern auch auf die Verkehrsentwicklung und nicht zuletzt auf die Umwelt.

Bevor wir auf einzelne Aspekte näher eingehen, werfen wir einen Blick auf wichtige Zahlen:

  • Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) arbeiteten zum Stichtag 30. Juni 2022 20,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nicht in der Gemeinde, in der sie wohnen.
  • Damit ist die Zahl der Berufsauspendler im Vergleich zum Vorjahr nochmals um rund 700.000 gestiegen.
  • Der Anteil der Pendelnden an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beträgt 60 Prozent.
  • Die durchschnittlich zurückgelegte Entfernung (einfacher Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) beträgt 17,2 Kilometer.
  • 7,1 Millionen Pendlerinnen und Pendler legten 2022 mehr als 30 Kilometer zur Arbeit zurück (2021: 6,6 Millionen), 3,9 Millionen sogar mehr als 50 Kilometer (2021: 3,6 Millionen).
     

Warum pendeln so viele Deutsche?

Die Gründe dafür sind vielfältig und können sehr individuell sein. So führen steigende Mieten und Immobilienpreise in den Städten dazu, dass Menschen ins Umland ziehen und längere Pendelstrecken durch geringere Wohnkosten ausgleichen. Ein ortsgebundener Partner kann ebenso ein individueller Grund zum Pendeln sein wie Kinder, die nach einem Arbeitsplatzwechsel weiterhin die gleiche Schule besuchen sollen.

Hinzu kommen gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen, die das Pendeln attraktiv machen. In Ballungsräumen ist das Arbeitsplatzangebot größer, gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt. In strukturschwächeren ländlichen Regionen, in denen die Situation auf dem Wohnungsmarkt entspannter ist, fehlt es dagegen häufig an attraktiven Arbeitsplatzangeboten.

Ein weiterer Faktor für die Attraktivität des Pendelns ist im Einkommensteuergesetz zu finden. In § 9 EStG ist die so genannte Entfernungspauschale geregelt, die meist als Pendlerpauschale bezeichnet wird. Damit können Arbeitnehmer die Kosten für den Weg zur Arbeit steuerlich geltend machen. Dabei spielt es keine Rolle, welches Verkehrsmittel sie benutzen.


Stichwort: Pendlerpauschale

Die Pendlerpauschale hat eine erstaunlich lange Geschichte. Bereits um 1900 musste sich das Preußische Oberverwaltungsgericht erstmals mit der steuerlichen Beurteilung von Fahrtkosten befassen. Ab 1920 wurden die „notwendigen Aufwendungen“ für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als abzugsfähig in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Seitdem wurde das Gesetz mehrfach geändert.


 

Alleine im Auto?

Betrachtet man die aktuellen Herausforderungen, aber auch die neuen Möglichkeiten der veränderten Arbeitswelt, scheint das Pendeln ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein.

Nachhaltigkeit ist eng verbunden mit der Reduktion von CO₂. Im Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung „Treibhausgasminderungsziele“ für verschiedene Sektoren festgelegt. Danach sollen die Gesamtemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden.

Das Problem: Während in vielen Sektoren die Treibhausgasemissionen bereits gesunken sind, ist dies laut Umweltbundesamt im Verkehrssektor bisher nicht erkennbar. Zwar seien Lastwagen und Personenwagen effizienter geworden, doch das steigende Verkehrsaufkommen mache diese Einsparungen wieder zunichte. Problematisch ist auch das Pendeln mit dem Auto, denn hier spielt die Kapazität der Autos keine große Rolle: Autopendler sitzen meist allein in ihrem Fahrzeug.

Lösungsansatz: Damit der Verkehrssektor seinen notwendigen Beitrag zur Emissionsminderung leisten kann, sind neue Verkehrskonzepte notwendig. Ideen wie Carsharing und Fahrgemeinschaften könnten den Pendlerverkehr ebenso reduzieren wie der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Dies setzt aber entweder ein gesellschaftliches Umdenken oder politische Rahmenbedingungen voraus.

Impuls: Um den Pendlerverkehr zu reduzieren, braucht es nicht nur finanzielle Anreize für Vielfahrer, sondern insbesondere auch für Wenigfahrer.


Stichwort: Pendlerzufriedenheit

Wie wirkt sich das Pendeln zum Arbeitsplatz auf das subjektive Wohlbefinden aus? Mit dieser Frage hat sich das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Ausgabe 5/2022) beschäftigt. Demnach spielen die Wahl des Verkehrsmittels und die Länge des Arbeitsweges eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit der Pendler. So sind Personen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen und zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, zufriedener als Personen, die mit dem Auto pendeln. Verschiedene Studien zeigen, dass sich dies auf die Stimmung am Arbeitsplatz und das allgemeine Wohlbefinden auswirkt.


 

Remote Work und Co-Working-Spaces

Die vielfältigen Gründe für das Pendeln lassen sich oft nicht kurz- oder mittelfristig ändern. Der Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen mit hohem Arbeitsplatzangebot wird sich in absehbarer Zeit nicht ausreichend verändern. Gleiches gilt für das Arbeitsplatzangebot in strukturschwächeren Regionen, in denen die Wohnsituation entspannter ist.

Hoffnungsvoll stimmt jedoch, dass sich der Arbeitsmarkt in den Jahren der Pandemie verändert hat. Die zunehmende Digitalisierung macht es in einigen Branchen und Berufen möglich, die Arbeit zum Teil auch von zu Hause aus zu erledigen. Jeder Home-Office-Tag spart unmittelbar CO₂ ein, so dass Remote Work einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Pendlerverkehrs und des Emissionsanteils des Verkehrssektors leisten kann.

Remote Work muss aber nicht automatisch Home Office bedeuten, auch dezentrale Arbeitsplätze oder Co-Working-Spaces können eine wichtige Rolle spielen. Die Etablierung von Co-Working-Spaces könnte ein bisher weniger diskutiertes Problem der Remote-Arbeit lösen: Viele Wohnungen sind zum Arbeiten nicht besonders geeignet. Sie sind zum Beispiel zu klein und es gibt keinen Arbeitsplatz, an dem produktiv gearbeitet werden kann. Zudem kann es an infrastrukturellen Voraussetzungen wie einem ausreichenden Internetanschluss oder ergonomischen Büromöbeln fehlen.

Fazit: Aus für das Pendlerparadies?

Deutschland mag derzeit als Pendlerland gelten, doch die negativen Auswirkungen langer Arbeitswege auf die Umwelt und das individuelle Wohlbefinden sind unübersehbar. Soll die Zahl der Berufspendler im Sinne eines nachhaltigen Verkehrskonzeptes deutlich reduziert werden, kann dies nur durch eine ganzheitliche Betrachtung gelingen. Es bedarf politischer Rahmenbedingungen, die nachhaltige Mobilität fördern, statt Anreize zum Pendeln zu schaffen. Es wird aber auch nicht ohne gesellschaftliche Akzeptanz und Bereitschaft gehen. Beides sind große Herausforderungen, die für eine Trendwende gelöst werden müssen.

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