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„Smarte Produkte verlangen nach smarten Refinanzierungsformen“

Die Transaktion gilt als „wegweisend in der Unternehmensfinanzierung“: Im Herbst 2021 investierte die Kapitalanlagegesellschaft MEAG, die wie ERGO zur Munich Re Gruppe gehört, einen dreistelligen Millionenbetrag in Anleihen des Jobbike-Spezialisten Bikeleasing-Service. Der technologische Clou an diesem Deal: Die Anleihe wurde über die Verbriefungsplattform CrossLend auf Basis von Blockchain-Technologie strukturiert und begeben. Anlass genug für //next, mit dem zuständigen MEAG-Experten Thomas Bayerl über die Vorteile und Besonderheiten dieses innovativen Ansatzes zu sprechen.

Herr Bayerl, vor wenigen Wochen hat MEAG erstmals unter Einsatz von Blockchain-Technologie in eine Anleihe investiert. Was gab hierfür den Ausschlag – und was genau macht diese Transaktion „wegweisend“?

Nun, eine Verbriefung auf Basis von Blockchain-Technologie – beziehungsweise allgemein von Distributed Ledger Technology (DLT)  – bringt mehrere Vorteile mit sich: Durch die „Tokenisierung“ von einzelnen Zahlungsströmen oder Objekten – in diesem Fall von Job-Bikes – erreichen wir eine höhere Flexibilität und Transparenz in der Strukturierung. Zusätzlich ist natürlich die Zuordnung der einzelnen Räder und der damit jeweils zusammenhängenden Forderungen digitalisiert und eindeutig abgespeichert, quasi ein digitales Grundbuch …

MEAG-Experte Thomas Bayerl

Nun zeichnet sich eine Blockchain-Infrastruktur ja dadurch aus, dass darin jede Transaktion in einer Kette einzelner Blöcke (Blockchain) gespeichert wird, so dass eine Art „dezentrales Kontenbuch“ entsteht. So hat es jedenfalls unser Munich-Re-Kollege Markus Hablizel erst kürzlich hier auf //next erklärt. Passt diese Definition für Sie – und wie können wir uns Ihr Anleihen-Investment in dieser Infrastruktur vorstellen? 

Vorab möchte ich sagen, dass die Verbriefungsplattform CrossLend, mit der wir zusammenarbeiten, an sich bereits die Technologie einer Blockchain bietet und umsetzt. Allerdings haben wir für ERGO die Investition in Form einer Namensschuldverschreibung getätigt. In einer „vollständigen“ Blockchain würde jeder Beteiligte der Transaktion, einen direkten Link („Knoten“) haben. Aus zeitlichen Gründen haben wir dies systemseitig jedoch noch nicht implementiert. 

Vom Ablauf her wird jedes einzelne Asset – was in diesem Fall die Leasingverträge waren – auf der Plattform zunächst in ein Digitales Asset umgewandelt. Dieses ist dabei ein digitales Objekt, welches sowohl alle Daten enthält als auch die darunterliegende Note. 

Fortlaufende Informationen wie etwa Cashflows werden nun im Anschluss jeweils durch dieses Digitale Asset geleitet. Somit befinden sich in einem Objekt unzertrennlich alle Informationen – und diese werden fortlaufend kryptographisch mit allen vorhergehenden Informationen verschmolzen und abgelegt und sind somit revisionssicher. Da stimme ich dem Kollegen also zu, ja.

Was waren Ihre Kriterien für die Auswahl einer passenden Blockchain?

Die Funktionalität des Prozesses hängt an der Datenqualität und der technischen Verlässlichkeit. Sie brauchen einen Partner, der wiederholt gezeigt hat, dass er die Anforderungen an die Daten und Technik so auf- und umsetzt, dass der Prozess von Anfang bis Ende in der erforderlichen höchsten Qualität läuft. Dafür ist ein Track-Record nötig – also die überprüfbare Erfahrung, so etwas nicht nur einmal sondern viele Male erfolgreich umgesetzt zu haben. Die Verbriefungsplattform Cross-Lend ist uns aus anderen Zusammenhängen als äußerst verlässlicher Partner bekannt. Das ist entscheidend für unsere Zusammenarbeit.

Darüber hinaus war es erforderlich, dass unser Partner trotz des technologisch fortschrittlichen Handlings auf Einzelasset-Ebene in der Lage ist, ein traditionelles Wertpapier zu begeben, welches von den Bestandssystemen von ERGO aufgenommen werden kann. CrossLend konnte uns diese Hybridlösung anbieten.


Bitte lassen Sie es uns abschließend auf den Punkt bringen: Was unterscheidet die Nutzung der Blockchain-Technologie vom bisherigen Weg, ein solches Anleihe-Investment durchzuführen – wo genau liegen die Vorteile für den Emittenten und die Investoren?

Es ist eine Win-Win-Situation. Von der Flexibilität, der Kosteneffizienz und der Sicherheit profitieren beide Partner. Die Kosteneffizienz ist gerade auch im extremen Niedrigzinsumfeld wichtig. Es geht um jeden Basispunkt Kostenersparnis. Die vollständige Automatisierung macht Abstimmungen hinfällig, spart Zeit und Geld – und Fehler im laufenden Prozess gehören der Vergangenheit an. Die Revisionssicherheit ist darüber hinaus ein Vorteil – für beide Seiten. Die Digitalisierung baut Brücken, wo ohne diese bislang keine vorstellbar waren. Wir sind Zeugen einer Zeitenwende: Die Digitalisierung revolutioniert die Finanzwelt.

Wir sehen hier, dass sich ein neuer Standard für Transaktionen entwickelt: Digitale Assets und die damit verbundenen Möglichkeiten für die Automatisierung bringen dabei gerade im Bereich von kleinteiligen und hochfrequenten Assets entscheidende Vorteile. Und man muss auch einen Schritt weiterdenken: Produkte werden smart, also müssen auch die Refinanzierungsformen für diese Produkte smart werden. Gerade in einer Welt des Internet of Things (IoT) stellt sich ganz praktisch die Frage, wie die zahlreichen neu verfügbaren Informationen in eine Finanzierung einfließen können. Ein kleines Beispiel: Im Leasing lässt sich durch Verknüpfung eines IoT-Device in einer Maschine mit dem refinanzierenden Digitalen Asset in Echtzeit der Restwert eines Leasings anpassen oder pro Benutzung abrechnen. Selbstverständlich bietet es einen Vorteil, wenn ich diese Informationen in der Refinanzierung verwerten kann und wettbewerbsfähiger bepreisen kann. 

Es wäre nicht besonders vorausschauend, angesichts dieser Entwicklungen in einer Beobachter-Rolle zu verweilen – sondern es ist viel sinnvoller, diese Technologien heute schon zu nutzen, um morgen nicht unter Zugzwang zu geraten. Das volle Potenzial kommt später, die Kosteneinsparung und operative Vereinfachung haben wir heute schon!  

Interview: Ingo Schenk

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