Es war schon immer so, dass Eltern die Generation ihrer Kinder komisch fand. Die Welt entwickelt sich rasend schnell und damit auch die Menschen. Eine für unseren Kolumnisten Markus Sekulla – Anfang 40 – bemerkenswerte Entwicklung: Junge Leute telefonieren nicht mehr so gerne. Woran liegt das?
Erinnern wir uns zurück in das Jahr 1994, als das gemeinsame (sic!) Telefon noch einer der zentralen Gegenstände in unserer Wohnung war. Während der Fernseher der Star im Wohnzimmer war, die Küche vom Herd dominiert wurde, konnte das Telefon sich als uneingeschränkter Herrscher des Flures sehen lassen. Wir hatten irgendwann dann sogar eine kleine Bank neben dem Gerät stehen, damit man nicht mehr so lange beim Telefonieren stehen musste.
Doch was wir gerne vergessen. Telefonieren war schon immer komisch. Nehmen wir die ersten Telefonate mit dem Schwarm. Klassiker. Als ich all meinen Mut zusammengenommen hatte und dann die erste Hürde ihres Vaters auf mich wartete. Das ist in etwa so, als wenn man an einem Haus vorbeigehen muss, wo ein unangeleinter Hund und ein offenes Tor zusammenkommen. Willste nicht. Dieses nett gesagte, aber eigentlich sehr gemeine – heute würde man „invasiv“ sagen – „Ah, du willst mit Melly sprechen, so so!“ habe ich heute noch in den Ohren.
Aber wir haben die Hürde dann doch irgendwie geschafft, was das gestammelte Gespräch mit ihr danach auch nicht besser gemacht hat. Ein Anruf und ich war bereit für eine Delfin-Therapie.
Auch ein Klassiker meiner Kindheit. Das Telefon abnehmen, ohne zu wissen, wer einen da angerufen hat. In meinen Jugendjahren war mein Ausreden-Game sehr strong.
Kurzum: Wir haben also auch damals nicht gerne telefoniert. Heute ist das auch so, nur ausgeprägter. Junge Leute telefonieren am liebsten gar nicht. Klar, das ist so eine Aussage von einem, der gerade noch im Millennial-Jahr geboren wurde. Aber die Daten (und meine privaten Beobachtungen) unterfüttern diese These.
Eine weitere Beobachtung: Die Abneigung gilt vor allem spontanen – also unangekündigten – Anrufen.
Erneuter Flashback in die 80er. Früher war alles sehr spontan. Manchmal ist man zu seinen Freunden gegangen und hat an der Tür gefragt, ob sie Zeit hatten. Fühlt sich heute absolut undenkbar an. Und mit dem Telefonieren geht es in die gleiche Richtung
Doch was sind die Gründe dafür, dass junge Leute nicht mehr gerne (spontan) telefonieren?
Beim letzten Punkt den Voice-Messages rollt es so machen Silver-Surfern sicherlich die Zehennägel hoch. Aber auch damit müssen wir man sich abfinden, Sprachnachrichten sind gekommen um zu bleiben…
Meine Generation ist aufgewachsen mit dem Telefon und dem TV als zentralen Kommunikationsmöglichkeiten zur Außenwelt. Daher sitzt uns das Telefonieren auch noch so in der Memetik wie das Lesen der Holzversion einer Zeitung.
Wenn wir älteren uns in die junge Generation hineinversetzen, ist es recht einfach zu verstehen. Die Gen Z hat zwar auch immer (!) ihr Telefon dabei, aber ist Telefonieren ist eben nur eine App von vielen. Sie steht inmitten von Messengern und Social Networks mit den damit verbundenen Reaktionsmöglichkeiten.
Kaum irgendwo zeigt sich der Generationenunterschied so stark wie bei der Nutzung von Smartphones. Während wir mit den sehr begrenzten Optionen eines Gameboys auskommen musste, steht der neuen Generation die Welt in ihrem Zimmer durch endlose Möglichkeiten offen. Warum dann auch das Zimmer verlassen. Empathie ist das Zauberwort. Wir waren auch anders. Meine armen Eltern mussten sich täglich stundenlang mit 90s Dancefloor Musik mit Haddaway und 2 Unlimited rumschlagen. Und das kann heute niemand mehr wollen oder gar nur verstehen.
Text: Markus Sekulla
Millennials Hate Phone Calls, And They Have A Point
https://www.forbes.com/sites/briannawiest/2019/11/04/millennials-hate-phone-calls-they-have-a-point/
Why Millennials hate talking on the phone - ‘Generation Mute’ Millennials Phone call statistics
https://www.bankmycell.com/blog/why-millennials-ignore-calls
Wondering why that millennial won't take your phone call? Here's why
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