Knopfdruck war gestern, heute wird über Stimme geregelt. Ob Siri, Alexa, Google Assistant oder Cortana (richtig gelesen: nicht Corona): Sprachassistenten waren noch vor wenigen Jahren das gehypte „Next Big Thing". Wo stehen wir jetzt auf dem Hype Cycle? Eine subjektive Bestandsaufnahme von Markus Sekulla.
Voice? Ein Hype! So war meine Meinung 2020: Nein. Etwas konservativer ausgedrückt: Voice ist kein Hype aber ein wichtiger Schritt in Richtung Smart Home. Damit kann ich mich anfreunden. Doch die Frage bleibt: Ist Voice wirklich so groß wie viele denken oder ist es eine enttäuschte Liebe nachdem wir alle unsere Alexa nur noch zum Ansagen der Zeit oder als besseren Handy-Lautsprecher und unser Siri für das Einstellen des 5 Minuten Timers beim Eierkochen nutzen?
„Google, was denkst du über Alexa?“ – „Sie hat wirklich viel zu bieten, man kann ihr so einiges abkaufen. 😊“ – „Und magst du Alexa?“ – „Ich finde ihr blaues Licht sehr beruhigend und sie hat auch eine sanfte Stimme.“ Klingt nach Freundschaft. Auch bei der Befragung nach anderen Sprachassistenten verhält sich Google freundlich und betont deren Vorzüge. Auch hier liegt Liebe in der Luft. Ich befürchte jedoch, dass die Liebe von uns Menschen nicht so heiß und innig ist, wenn es um Sprachsteuerung geht.
Wir haben für unser Tech-Blog 2016 – also damals - ein Amazon Echo als Testgerät zugeschickt bekommen. Wir waren alle hin und weg von den neuen Möglichkeiten und der ungewöhnlichen Stimme im Wohnzimmer. Jeder Besuch hat die weirdesten Fragen gestellt und wir haben uns über die KI in spe kaputtgelacht. Nach ein paar Tagen wurde jedoch klar, dass die für mich wichtigste Anwendung die nächtliche Frage in den Raum: „Alexa, wie spät ist es“ war. Ein paar Jahre später habe ich den Echo Show noch mal getestet, der wohl im Nachhinein in der sehr kurzen Liste der Amazon-Fails gelandet sein dürfte.
Insgesamt habe ich über die Jahre alle größeren Voice-Assistents getestet und habe nach Rücksendung der Geräte nicht wirklich ein Vakuum in meinem Leben verspürt. Auch heute nutze ich die übriggebliebene Siri noch nicht wirklich aktiv. Oft, und das erkenne ich auch in den Gesprächen unter Tech-Bloggern oder im Freundeskreis, sind es Kleinigkeiten, die nicht funktionieren, aber einen großen Impact auf die Liebe – oder der fehlenden – zum Gerät haben. Daher: Enttäuschte Liebe 1, Next Big Thing 0.
Theoretisch überzeugt Voice in vielen Punkten: Einkaufszettel erstellen, Einkäufe online erledigen, Termine vormerken und erinnern und aktuelle Nachrichten anhören. Sie kann auch sämtliche elektronischen Geräte, wie Lampen, den Staubsaugerroboter oder den Herd einschalten und steuern. So sie denn Smart Home-fähig sind. Die Liste ist aber schier endlos und es wäre jetzt zu viel des Guten, alle Fähigkeiten von ihnen aufzulisten. Für ein recht limitiertes Nutzerverhalten scheinen sie ein Allround-Talent zu sein.
Vor einiger Zeit sitze ich mit einem Freund in seinem Auto und wir wollen an einen anderen Freund eine Nachricht schreiben. Als guter Beifahrer war ich kurz davor mein Handy zu zücken und schnell eine Nachricht zu tippen. Doch bevor ich die Finger schwingen konnte, wurden neben mir schon innerhalb von 10 Sekunden Folgendes erledigt: „Hey Siri, schreib eine Whatsapp-Nachricht an Frank.“ – „Whatsapp-Nachricht an Frank – was willst du schreiben?“ – „Treffen in 10 Minuten vor dem Bahnhof“ – „Ok, Whatsapp an Frank geschickt.“ Bitte nicht falsch verstehen, das sind keine Breaking-News. Doch ein Freund, den ich vorher eher in der Kategorie „Offline-süchtig“ eingeordnet hatte, zeigte mir, dass Voice wirklich und sinnvoll in seinen Alltag angekommen ist. Ist Voice also doch the Next-Big Thing? Mehr dazu gleich, zumindest ist das für mich erst mal der Ausgleich gewesen. 1 zu 1!
Vielleicht war ich mit meinen Tests 2016/2017 einfach zu früh dran?
In den 90er Jahren war ein vernetztes zu Hause Stoff für Sci-Fi-Filme. 30 Jahre später sind Sprachassistenten und vernetzte Geräte in der Mitte der Gesellschaft angekommen und boomt. Zum Vergleich: 2018 nutzte, laut einer Deloitte-Studie, nur jeder achte Haushalt smarte Lautsprecher. Gründe dafür waren vor allem Datenschutzbedenken und der fehlende Nutzen für viele Menschen. Sie hatten schlicht keine Geräte, die miteinander kommunizieren konnten.
2019 erlebten die Sprachassistenten aber einen starken Aufschwung. Die Ergebnisse einer Postbank-Studie zeigen, dass mittlerweile schon jeder Dritte Alexa, Siri und Co. nutzen. Vor allem die jüngere Generation unter 40 Jahren will darauf nicht mehr verzichten. In dieser Altersgruppe nutzt jeder Zweite einen Sprachassistenten.
Das verhält sich auch ein wenig so wie das mit den Voice Messages bei Whatsapp. Das wird von den Millennials und Gen Zs genutzt wie bei uns damals der Game Boy, für Leute in meinem Alter (um die 40) erschließen sich die Vorteile eher nicht. Als Freund von neuen Entwicklungen nutze ich die Voice-Messages auch, vor allem für Geburtstagsständchen, alle meine Bekannten sind jedoch stark in der „Warum rufst du nicht eben an?“-Fraktion. Es bleibt aber, dass Voice in der jüngeren Generation – entschuldigt die Verallgemeinerung – eine größere Rolle spielt, als wir „älteren“ es gewohnt sind.
Glaubt man Umfragen, so sind Sprachassistenten auch unterkühlt, distanziert und unnahbar. Und ja: In Zeiten von Corona hat man sicher mit einer Voice-Box nicht gegen Social Distancing ankommen können. Es sind am Ende des Tages technische Geräte, die ein Gefühl von Vertrautheit wecken sollen, da ihnen ja auch vertrauliche Informationen mitgeteilt werden. Sie sollen keinen Menschen ersetzen, aber zumindest einen Funken Menschlichkeit besitzen, damit der Nutzer eine Bindung dazu aufbaut und gerne mit dem Sprachassistenten interagiert. Im September 2019 kündigte Amazon deswegen schrittweise eine Überarbeitung von Alexa an, um ihrer Stimme Natürlichkeit und Menschlichkeit zu verleihen. Datenschutzprobleme sind ein anderes Thema, mehr dazu bald hier auf //next.
Wir waren bei einem 1:1, und ich würde mich schwer damit tun, eine der beiden Thesen mit Elan zu unterschreiben. Ich nutze Siri wieder mehr nach dem Erlebnis mit meinem Buddy im Auto und habe neue Nutzungsszenarien außer der Eieruhr für mich entdeckt. Kleine Probleme tauchen immer noch auf und werden in der nächsten Zeit wohl nicht verschwinden. Spotify richtig mit Siri oder Alexa zu nutzen, sehe ich beispielsweise als nicht userfreundliche Experience. Auf der anderen Seite nutze ich die Whatsapp- und Notes-Funktion fast täglich. Also zu viel, um zu sagen „enttäuschte Liebe“, doch zu wenig, um für mich den Hype zu rechtfertigen. Für letzteres müssten noch einmal neue Kracher in der Nutzung aufkommen, ein „Next Big Thing in Voice“ quasi. Wir bleiben bei einem Unentschieden. Also ein 1:1 der besseren Art.
Kommentar: Markus Sekulla
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