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Das Jahrzehnt der Assistenzsysteme

Fahrer-Assistenzsysteme spielen eine immer größere Rolle – auch für Versicherer. Sie reduzieren die Schadenfrequenz, treiben aber auch die Schäden in die Höhe, weil die mit diversen Sensoren ausgestatteten Ersatzteile teuer sind. Mit Blick auf die Kfz-Versicherung findet Karsten Crede von ERGO Mobility Solutions es fast schon grotesk, dass in den Antragsprozessen unter anderem nach Berufsgruppen, Eigenheimen oder Garagen gefragt wird – doch eine Technologie, die einen derart großen Einfluss auf den Schadenbedarf haben kann, wird derzeit noch weitgehend außer Acht lassen. Er findet: Das muss sich ändern.

Sensoren sind unverzichtbar für automatisiertes Fahren

Zu den wichtigsten technologischen Entwicklungsfeldern der (deutschen) Auto- und Zulieferindustrie gehören die Fahrer-Assistenzsysteme. Hersteller und Zulieferer investieren immense Summen, um das Autofahren sicherer, komfortabler und einfacher zu machen. Und dies erfolgreich. So hat Bosch beispielsweise auf der Fachmesse CES in Las Vegas Anfang des Jahres zwei Innovationspreise erhalten: für die Unfallerkennung von Seitenkollisionen bei Spurwechseln, Einscheren oder an Kreuzungen und für den sogenannten Ridecare Companion, der die Sicherheit von Fahrern und Fahrgästen bei Mitfahrservices und Taxis erhöht.

Die Grundidee steckt in immer besseren Sensoren (Quantensensoren), die bei der Fahrzeugnavigation, bei der Steuerung von Airbags oder ESP-Systemen (elektronischen Stabilisierungsprogrammen) helfen. Dabei werden Hard- und Software auf Basis von cloudbasierten Datendiensten miteinander vernetzt. Mit Radar-, Lidar-, Video- und Ultraschallsensoren verfügt das Auto über eine nahezu perfekte „Sehkraft“, die das Autofahren sicherer macht und zukünftig für das automatisierte Fahren unverzichtbar sein wird.


EU-Verordnung zu Assistenz- und Sicherheitssystemen

Angefangen hat diese Entwicklung schon Ende der 50er Jahre. 1958 war der Chevrolet Imperial das erste Auto mit einem Tempomat, vier Jahre später führte Mercedes-Benz diese Innovation auch in Europa ein. In den 60er Jahren folgte das ABS und um die 2000er wurden automatische Distanzregelung, Spurhalte-Assistent und Spurwechsel-Assistenten erfolgreich implementiert. Ende 2021 erfolgte dann der nächste Entwicklungssprung: Mercedes führte das erste Level 3-System ein, einen sogenannten Drive Pilot, der auf Autobahnen vollständig die Kontrolle übernehmen kann.

Auch der Gesetzgeber macht Druck. Im Sommer 2022 ist eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die bestimmte Assistenz- und Sicherheitssysteme zur Pflicht macht: ab 2022 in allen neu entwickelten Fahrzeugen und ab 2024 dann in allen Neufahrzeugen. Assistenzsysteme sind somit kein Luxus mehr, den man nur in Oberklasse-Fahrzeugen findet. 


Einfluss auf die Kfz-Versicherung?

Ein konkretes Beispiel: Sie können ein Fahrzeug aus dem Mittelklasse-Segment eines deutschen Premiumanbieters entweder mit der Serienausstattung, also einem Minimum an Assistenzsystemen, oder mit dem umfassenden Assistenzpaket erwerben. Für knapp 5.000 Euro Aufpreis erhält man die Fahrerassistenz-Komplettausstattung. Leider hätte der Kauf des Komplettpakets heute noch keinen Einfluss auf die Versicherungsprämie.

Deshalb wäre für mich ein erster wichtiger Schritt, die Typklassifizierung um die Ausstattung der Assistenzsysteme zu ergänzen. Damit würde sich der Kauf von Sicherheit für Kunden auch ökonomisch lohnen. Im nächsten Schritt geht es um die wirkungsvolle Nutzung von Assistenzsystemen durch den Fahrer und die Fahrerin. Das beste System ist nutzlos, wenn es nicht oder falsch eingesetzt wird. Über das Auslesen der Fahrzeugdaten besteht in Zukunft die Möglichkeit, festzustellen, ob und wie häufig der Notbremsassistenz oder Parkpilot in Anspruch genommen wird. Die Ergebnisse könnten in die Versicherungsprämie einfließen, die dann monatlich online aktualisiert und dem Kunden passgenau in Rechnung gestellt wird. 

Schlussendlich bleibt die Herausforderung, die Wirkungsgrade und Systemgrenzen von Notbremsassistenten, aktiven Spurhalteassistenten und Parkpiloten zu ermitteln, um den jeweiligen Effekt in der Prämie so realitätsnah wie möglich zu berücksichtigen.

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