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Digitalisierung macht Bauen nachhaltiger und effektiver 

Der Gebäudesektor gehört zu den großen Klimakillern unserer Zeit. Klingt hart, ist laut aktuellem Global Status Report for Buildings and Construction der UN aber weiterhin so. Allein in Deutschland gehen rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen auf sein Konto – Tendenz derzeit noch steigend. Und als wäre dies nicht schon Herausforderung genug für die Baubranche, kommen inzwischen die Folgen wie etwa Lieferkettenengpässe durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine sowie ein wachsender Fachkräftemangel hinzu. Bleibt die Frage: Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung, um alledem zumindest in Teilen etwas entgegenzusetzen? 

Erst vor wenigen Wochen wurde das neue BIM-Portal des Bundes freigeschaltet. Das erklärte Ziel: Eine einheitliche Datenlage soll den öffentlichen Sektor und Unternehmen dabei unterstützen, gemeinsame Bauvorhaben schneller und effektiver umzusetzen. Im Grunde geht es darum, konsequent und gut strukturiert Daten möglichst in Echtzeit zu sammeln, auszuwerten, zusammenzuführen und für die Planung, den Bau und das sich anschließende Gebäudemanagement zu nutzen. Kurz gesagt: Arbeiten mit BIM ist immer als ein Prozess zu verstehen, bei dem qualifizierte wie auch standardisierte Informationen digital erhoben, verwaltet und ins Bauen sowie spätere Verwalten von Gebäuden einbezogen werden. Ein Bewusstsein, die Digitalisierung im Bau auch auf der öffentlichen Verwaltungsebene als Standard zu definieren, ist damit gegeben. Jetzt kommt es auf die konstante Weiterentwicklung und Nutzung in diesem Bereich an.

Fachkräftemangel ausgleichen und Dekarbonisierung vorantreiben

Auch im privaten Wohn- bzw. kommerziellen Bau ist man dabei, mithilfe der Digitalisierung das Bauen effizienter zu gestalten und so Möglichkeiten zu schaffen, auf der einen Seite den Fachkräftemangel auszugleichen und auf der anderen die Dekarbonisierung voranzutreiben. Dort findet das Modellieren von Bauwerksdaten mithilfe digitaler Methoden und Software schon heute in einem gewissen Umfang statt und ermöglicht so die smarte Vernetzung, den Datenaustausch und die Kommunikation aller an einem Bau beteiligten Gewerke. Im ersten Schritt eines Bauvorhabens wird hierzu ein 3-D-Modell erstellt. Alle wesentlichen Details wie Abmessungen, Materialien oder auch wichtige Umgebungsdaten der Baustelle werden darin erhoben und verwaltet. So entsteht ein digitaler Zwilling vom geplanten Gebäude und dem umgebenden Baugelände. Sollte es im Verlauf des Bauens Änderungen geben, können diese entsprechend digital ergänzt und notwendige Anpassungen einfacher als bisher übertragen werden. 


Die mit der Gebäudeplanung einhergehenden Baumaßnahmen umfassen eine Unmenge an digitalen Lösungen – wie so häufig, wenn es um den Shift in eine digitale Zukunft ganzer Bereiche geht. Aktuell bereits am weitesten verbreitet sind Sensoren zur Datenerfassung für die modularen Systeme. Diese für bereits bestehende Gebäude anzuwenden, gilt derzeit noch als große Herausforderung. Langfristig wird dies aber nötig sein, um auch Bestandsgebäude in das digitale Zeitalter zu überführen. Denn nicht nur das Errichten eines Gebäudes selbst, auch die spätere Instandhaltung und Wartung können davon maßgeblich profitieren.

Soweit zur Theorie. Wie aber muss man sich das Ganze auf der Baustelle nun etwas konkreter vorstellen? Dazu im Folgenden ein paar Beispiele:


Drohnen über allem

Die kleinen Flugroboter gehören schon längst zur Standardausrüstung für die Digitalisierung im Bau. Sie kommen zum Einsatz, noch bevor es ans eigentliche Bauen geht. Remote gesteuert oder autonom fliegend liefern sie erste Daten über das Gelände, auf dem gebaut werden soll. Diese werden in die Modellierungsplattform übertragen und dienen dem weiteren Vorgehen, wie etwa der Konstruktion und dem Aufmaß. Während der eigentlichen Bauphase werden mit ihrer Hilfe die jeweiligen Baufortschritte konsequent und fortlaufend dokumentiert. Auch mögliche Gefahrenstellen lassen sich mittels Drohnenaufnahmen ermitteln. Diese liefern zum Beispiel die Grundlage für eine Simulationssoftware des Start-ups HeavyGoods, mit der insbesondere sperrige und unübersichtliche Transporte zur und auf der Baustelle automatisiert geplant und durchgeführt werden können.


„Gut gerüstet“ durch Robotertechnologie

Dieser Satz ist bei dem digitalen Materialaufzug des Münchner Unternehmens Kewazo wörtlich zu nehmen. Das Unternehmen hat einen intelligenten Roboter für Baustellen und Industrieanlagen entwickelt. Der „digitale Mitarbeiter Liftboy“ ist kabellos, akkubetrieben und liefert den wenigen menschlichen Kollegen, die zum Aufbau des Gerüsts noch benötigt werden, automatisiert die nächsten Gerüstteile. Das Ganze ist nicht nur effektiv hinsichtlich Zeit und Personal. Die Technologie hilft auch dabei, die Arbeit im Gerüstbau insgesamt ergonomischer und vor allem sicherer zu gestalten.


Smart organisiert und gesteuert 

Wer einen Bau digital mit BIM plant, wird zukünftig nicht mehr einzelne Gewerke ansprechen müssen, um die benötigten Baumaschinen und Fahrzeuge für die Baustelle zu ordern. Mit dem digitalen Zwilling eröffnet die digitale Baustelle, was benötigt wird. Das Equipment dürfte sodann über die Anbindung an eine entsprechende Plattform on demand per Klick angefordert werden. Die gesamte Maschinenlogistik wird auf diese Weise vereinfacht und damit effizienter in der Steuerung.

Aber nicht nur die Organisation der Maschinen, auch die Maschinen selbst werden zunehmend smarter. Bereits in Erprobung ist Robo-Hund Spot der Firma Boston Dynamics. Mit einer 360-Grad-Kamera und KI-Technik ausgestattet kann er vorgegebene Routen ablaufen und in doppelter Hinsicht „fortlaufend“ – zur Kontrolle oder Dokumentation – Scans von Bauabschnitten anfertigen. Spot ist damit eine Art mobile Trägerplattform. In der antiken Stadt Pompei überwacht er die historische Stadtanlage, um auf Diebe aufmerksam zu machen und Vermessungsdaten von der Anlage anzufertigen. Vielleicht wird der Roboterhund in Zukunft auch auf deutschen Baustellen dabei helfen, Klau im Bau vorzubeugen oder bei möglichen Gefahrenstelle frühzeitig „anzuschlagen“.


Präziser als jede Menschenhand  

BIM-Software unterstützt schon dabei, millimetergenau zu planen und zu bauen. Aber auch in Sachen Qualität kann digitale Technik für mehr Präzision zum Einsatz kommen. So bietet das Start-up PreML die virtuelle Qualitätsprüfung von Bauteilen an. Das Ganze funktioniert auf der Basis von Kamerabildern und einer KI, die diese auswertet. Ungewünschte Lufteinschlüsse, Risse oder Ähnliches können so frühzeitig erkannt werden, bevor diese Schwachstellen später einmal zu ernsthaften Problemen führen.

Physische Realität an digitale Technik anzuknüpfen, schafft mittels Augmented Reality-Anwendungen einen weiteren Meilenstein für das Bauwesen. Datengesteuerte Brillen etwa versetzen Baggerfahrer in die Lage, Grabungen genauer denn je zuvor durchzuführen. Die AR-Brille, die er oder sie hierzu trägt, scannt das Baufeld in Echtzeit und gleicht es mit den Daten aus dem digitalen Zwilling ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass bereits verbaute Materialien wie zum Beispiel Rohre unbeabsichtigt beschädigt werden, sinkt damit gegen null. Der nächste Schritt könnten automatisierte Bagger sein, die ganz ohne Menschenhand gesteuert werden.


Neues wie Altes immer digital mitdenken

Ein derzeitiger Trend der Baubranche, der ebenfalls von digitalen Möglichkeiten profitieren dürfte, ist der sogenannte Modulbau. Das Start-up Aeditive aus Hamburg hat in diesem Bereich ein Verfahren entwickelt, bei dem ganze Teile aus Beton ohne Verschalung automatisiert gefertigt werden. Betonmischer auf Baustellen könnten damit langfristig von den Baustellen verschwinden. Ein echter Gewinn für mehr Sicherheit nicht nur für die Baustelle selbst, sondern auch den Verkehr in der Stadt, wie der tragische Unfall einer Fahrradfahrerin in Berlin erst kürzlich erneut zeigte.

Weniger spektakulär, aber nicht weniger hilfreich und notwendig ist schließlich die Digitalisierung der kompletten Baustellenabläufe. Gerätelauflisten, Lieferscheine, Mitarbeiterdokumentationen auf Papier oder in zusammenhanglosen Excellisten können vielfach schon heute durch intelligente Datenerfassung realisiert werden. Webbasiert haben alle Beteiligten zeit- und ortssouverän einen direkten Zugriff, um den Datenbestand nachweislich zu pflegen.


Nach dem Bau ist vor der Instandhaltung

Smart Building bedeutet auch, das sich an den Bau anschließende Gebäudemanagement gleich mitzudenken. Betriebsanleitungen, Termine für Wartungsintervalle oder die gesamte Haustechniktechnik von der Heizungsanlage bis hin zu Feuermeldern – all diese Dinge sollten zentral auf der Plattform mit dem digitalen Zwillings hinterlegt bzw. darüber verwaltet und initiiert werden können – und das Ganze am besten energieeffizient. Auch hierfür gibt es bereits einige Anbieter. Unter den großen sind auch deutsche Unternehmen wie Siemens oder Bosch.


Die Zukunft im Bau muss digital sein

Die deutsche Baubranche ist ein gewaltiger und damit wichtiger Wirtschaftsfaktor. Diesen schnellstmöglich und ganzheitlich zu digitalisieren, ist von großer Bedeutung. Nur so kann Bauen effektiver, nachhaltiger und damit zeitgemäßer werden. Wünschenswert in vielerlei Hinsicht.

Allen, die sich noch etwas tiefer in das Thema und aktuelle Entwicklungen einsteigen möchten, seien die Playlisten entlang der diesjährigen bauma, der internationalen Leitmesse der Baubranche, empfohlen. Dort bekommt man einen weiteren guten Einblick davon, was die Zukunft im Bau bereithält.

Text: Alexa Brandt 

Hier geht es zur englischen Version dieses Textes: Digitalisation makes construction more sustainable and effective

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