KI & Robotics

Mensch oder Maschine – wer hat eigentlich diesen Artikel geschrieben? 

Immer mehr Texte von Verlagshäusern und Internetportalen werden automatisiert geschrieben. Dieser Trend ist vor allem im englischsprachigen Raum kaum mehr aufzuhalten. Daher hat sich unser Kolumnist Markus Sekulla mit dem Thema beschäftigt und diesen Text eigenhändig nach Recherchen und Überlegungen erstellt. Doch ist das noch ein zukunftsträchtiger Prozess? 

Foto: Markus Sekulla

Künstliche Intelligenz als Chance für Verlage 

Eine Leserschaft geht meist davon aus, dass alle Artikel in einer Zeitung oder einem Magazin nach reiflichen Überlegungen von Journalistinnen und Journalisten selbst geschrieben wurden. Wenige wissen allerdings, dass künstliche Intelligenzen immer mehr auch die Welt der Texterstellung erobert. Zumeist noch im US-amerikanischen Raum anzufinden (die meisten KIs verstehen Englisch zurzeit am besten, da sie auf Basis dieser Sprache erstellt wurden), nutzen modernere Outlets in Deutschland auch immer mehr KI.

Es ist ja schon lange so, dass deutsche Redaktionen sowie Journalistinnen und Journalisten Pressemeldungen von Unternehmen und Neuigkeiten aus Presseagenturen nutzen. Oft kopieren sie die Texte nur oder wandeln sie leicht ab. Aufwand ist trotzdem vorhanden: Die Journalistinnen und Journalisten selektieren und redigieren die Texte – oft in mühsamer Handarbeit. Gerade bei Tickerangeboten im Bereich Sport, Finanzen, Events oder politischen Ereignissen wie Wahlen sind meist mehrere Journalisten involviert. Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen.

Der Ausweg: Künstliche Intelligenzen, die halb generische Sachverhalte in Texte umwandeln können. Das klassische Beispiel hierfür ist ein Fußballspiel. Das Ergebnis, die Torschützen, Karten und Zuschauerzahlen stehen fest, diese sind auf Portalen standardisiert angeführt und auch von einer KI lesbar. Kombiniert mit generellen Informationen, etwa: „Lewandowski hat im zehnten Spiel in Folge ein Tor erzielt“, geben die Informationen schnell Stoff für einen Artikel, aus dem die Leserinnen und Leser alle relevanten Informationen ziehen können. Aber klar, ein emotionaler Bericht mit Einordnung, Hintergrund und Kommentar wie etwa im 11Freunde Magazin entsteht so natürlich nicht.  


Journalismus zwischen gestern und morgen

Die Zwischenlösung: Viele KIs werden als Grundgerüst für Inhalte genutzt. So entstehen 60 bis 70 Prozent eines Artikels. Darüber wird dann noch ein menschliches Textverständnis und eine Einordnung gelegt, sodass ein Artikel mit mehr als Grundinformationen publiziert wird. Auch hier ein Beispiel: „Die Menge stand Kopf, als die Bananenflanke von Manfred Kaltz mal wieder einen Abnehmer fand und der Ball im Tor landete – Selbst nach dem Spiel skandierten die Fans seinen Namen“. Sätze, die von jemandem geschrieben wurden, der dabei war. Sätze, die wir gerne lesen, weil sie uns Emotionen vermitteln.

Doch nicht nur im Sport findet die textende KI ihren Einsatz. Finanznachrichten, tausende von Produktbeschreibungen in Online-Stores oder ganz aktuell, Wahlergebnisse, reihen sich nahtlos ein. Die Rheinische Post hat etwa gezielt einen Roboter nutzt, um Wahlergebnisse zu publizieren. Was ich wirklich stark finde: Das wird den Leserinnen und Lesern ganz offen erklärt – denn ist der Artikel nicht mit einem Hinweis versehen, ist es fast unmöglich, einen Unterschied bei tagesaktuellen Themen und Artikel zu erkennen. Dieser Hinweis stand unter einem Artikel zur aktuellen Bundestagswahl: 

Automatisch geschriebener Artikel

Dieser Text wurde auf Basis öffentlich verfügbarer Daten der Bundeswahlleitung automatisch generiert. Alle Infos über unsere automatisierte Berichterstattung im Bereich Wahlergebnisse finden Sie hier. Sie haben einen Fehler entdeckt? Mailen Sie uns: cvd@rp-online.de.

Das bringt volle Transparenz und Vertrauen für die Leserschaft. Das Signal: Ja, wir schreiben nicht alles selbst, aber dafür erhaltet ihr relevante Einblicke und das topaktuell.

Wichtig für Redaktionen: Leserinnen und Leser wollen wissen, wer was wie geschrieben hat. Kommt eine Maschine zum Einsatz, so ist das nicht per se qualitativ weniger wertvoll für sie. Es ist also kein Problem, transparent und offen den Einsatz von Automatisierung zu bestätigen. Sind die Neuigkeiten aktuell, so bieten sie immer noch einen Mehrwert – egal ob von einer KI oder von Journalistinnen und Journalisten geschrieben.

Wandel ist die einzige Konstante

In Zukunft werden alle großen Outlets auf Maschinen setzen, die automatisch Ticker, relevante Pressemeldungen und Neuigkeiten veröffentlichen. Was eine künstliche Intelligenz aber (noch) nicht kann: Zwischentöne erkennen, Themen und Aspekte in Zusammenhang setzen und emotionale Botschaften verfassen. Das ist und war schon immer essentiell für guten Journalismus.

Die Anwendungsmöglichkeiten für künstliche Intelligenzen sind indes beinahe grenzenlos. Die Maschine übernimmt alle Berichte mit einem aktuellen Nachrichtenwert, während Journalistinnen und Journalisten mehr  Zeit bekommen für Recherchen, Dokumentationen, tiefgreifende Artikel und emotionale Botschaften. Gekoppelt mit auf die Zielgruppe zugeschnittenen Artikeln eröffnen sich viele Möglichkeiten, um die Leserschaft immer auf dem aktuellen Stand zu halten und gleichzeitig relevante und personalisierte Nachrichten zu veröffentlichen. 

Ob nun in Zukunft alle Artikel in den Medien nur noch von Maschinen geschrieben werden, das ist aus heuziger Sicht stark zu bezweifeln. So lange wir noch emotionale Wesen sind, wollen wir auch emotionale Stories lesen. Was ich persönlich sehr spannend finde, sind Projekte, in denen alte Meisterinnen und Meister von Maschinen analysiert und weiterentwickelt werden - etwa bei Kunstwerken oder Kompositionen. So hat eine Microsoft AI den nächsten Rembrandt kreiert. Ähnliche Projekt gibt es auch mit Romanen von großen Autoren. Auf einen neuen Hemingway wäre ich sehr gespannt.

Zum Weiterhören

Der Podcast von The Verge - der Vergecast - hat zu diesem Thema eine höhrenswerte Episode dazu veröffentlicht.

Text: Markus Sekulla

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