Wusstet Ihr, dass die Holographie – wie so viele Erfindungen – zufällig entdeckt wurde? Der ungarische Ingenieur Dennis Gábor hatte eigentlich nach Möglichkeiten gesucht, das Auflösungsvermögen von Mikroskopen zu verbessern, als er ein 3D-Bild erzeugte. 1971 gab es hierfür den Nobelpreis für Physik. Nun wollen Europas große Netzbetreiber an einem Strang ziehen, um Hologramm-Telefonie massentauglich zu machen.
Bereits Ende September gaben die Deutsche Telekom, die britische Vodafone, die spanische Telefónica (O2) und die französische Firma Orange ein gemeinsames Projekt bekannt, mit dem sie innerhalb von zwei Jahren eine Plattform zur Übermittlung dreidimensionaler Abbilder entwickeln wollen. Diese Hologramm-Telefonie soll laut Vodafone-Pressemitteilung „ganz ohne Bühne und teure Technik – sondern mit jedem gängigen Smartphone und einer VR-Brille“ funktionieren. Als technische Basis dient der aktuelle Mobilfunkstandard 5G: Auch wenn sein Nachfolger 6G bereits in den Startlöchern steht, machen die Bandbreiten im 5G-Netz die datenintensive Übermittlung von Hologrammen überhaupt erst möglich.
Wie Hologramm-Telefonie – auch „Holographie“ genannt – dann im Alltag aussehen soll, beschreibt tagesschau.de wie folgt: Der Angerufene sieht den Oberkörper des Anrufers durch eine VR-Brille als digitales Abbild, nicht als Avatar (wie heute bereits bei ERGO Meetings der Fall). Dies ist möglich, weil dessen Selfie-Kamera seine Körperdaten aufnimmt und dann eine dreidimensionale Digitalversion entworfen wird. Laut Vodafone sorgen für den 3D-Effekt eine KI-Technologie, die beispielsweise Ohren und Hinterkopf des Anrufenden ergänzt, sowie ein 3D-Rendering-Engine. Die dafür notwendige Rechenleistung werde via so genanntem Edge-Computing in die Cloud verlagert.
Sitzt ihr also daheim im Homeoffice, so könnten künftig ein Kollege oder die Chefin anrufen und dann auf der anderen Seite des Schreibtischs als 3D-Abbild erscheinen. Zur Klarstellung: Bei solch einem Telefonat gibt es nur ein Hologramm – und zwar das des Anrufers. Ein Hologramm des Angerufenen, der die VR-Brille trägt, gibt es nicht.
„Ob privat für den Anruf bei Oma oder für den Business-Call mit Kollegen und Kunden: Durch Hologramm-Telefonie rücken wir in der virtuellen Welt näher mit unseren Freunden und Mitmenschen zusammen“, sagt der Innovationschef von Vodafone Deutschland, Michael Reinartz. „Unser Ziel ist, diese neue Form der Kommunikation für alle zugänglich zu machen.“ Und Sven von Aschwege von der Telekom wird auf tageschau.de wie folgt zitiert: „Telefonieren, als stünde mein Gesprächspartner vor mir, ist so ein Traum, der nun näher an die Realität rückt.“
Erst kürzlich hatten wir hier auf //next bereits von einem ähnlichen Feldversuch in Kanada und den USA berichtet, bei dem sich die Gesprächspartner abgefilmt in Echtzeit und in voller – holografischer – Körpergröße gegenüberstanden.
Laut spiegel.de tüftelt die Telekommunikationsbranche schon seit Längerem an Hologramm-Verbindungen. 2018 habe Vodafone auf einem Testgelände in Aldenhoven bereits ein Hologramm-Videogespräch in einem fahrenden Kleinbus vorgeführt. Das damalige Projekt habe aber auf einer anderen Technologie als das jetzige Vorhaben beruht und „visuell nur wenig“ überzeugt.
Mit dem nun erfolgten Schulterschluss der Branche könnte daher ein großer Schritt nach vorne gemacht werden. „Die Mobilfunkfirmen preisen die Vorzüge zwar in den wärmsten Tönen an, jedoch: Wie gut oder schlecht die visuelle Qualität im Alltag tatsächlich sein wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen“, unterstreichen die Spiegel-Redakteure.
Text: Ingo Schenk
Die englische Version dieses Artikels gibt es hier: 5G enables hologram telephony
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