Trends

Cyber & Crypto: Viel versprechende Ansätze  

Das „Tech Trend Radar“ von ERGO und Munich Re umfasste vergangenes Jahr 44 Trends in fünf Themenfeldern, die wir uns hier auf //next in einer Serie genauer ansehen, bevor im Frühjahr das „Tech Trend Radar 2023“ erscheint. Den Anfang haben unsere ausführlichen Analysen zu „Wellbeing“, Hyperconnectivity“ sowie „Data & AI“ gemacht, nun wenden wir uns „Cyber & Crypto“ zu: Was hat es mit diesem Trendfeld auf sich – und welche einzelnen Trends verbergen sich dahinter?

Tech Trend Radar, Themenbereich Hyperconnectivity

Das „Tech Trends Radar 2022“ („TTR2022“) definiert das Trendfeld „Cyber & Crypto“ als „Sammelbecken für Technologien rund um sichere Transaktionen und sicheren Datentransfer“. Zu den Schlüsselanwendungen in diesem Bereich zählen etwa das breite Themenfeld „Cyber Security“, dem wir hier auf //next ohnehin einen eigenen Kanal widmen, oder auch „Digital Currencies“ wie der Bitcoin. Ein Hintergrundinterview mit den Machern des „TTR2022“ findet Ihr übrigens hier.

Welcher Trend hat welchen Reifegrad?

Details zu den zehn Trends in diesem Trendfeld findet Ihr im Folgenden, doch zunächst sei daran erinnert: Die Studie unterteilen alle Trends in die vier unterschiedlichen Reifegrade:

  • hold („auf die Beobachtungsliste setzen")
  • assess („überlegt, was dies für Euer Unternehmen bedeuten könnte")
  • trial („erste Initiativen sollten in den am stärksten betroffenen Geschäftsbereichen gestartet werden")
  • adopt („nutzt beherzt die Vorteile dieser Technologie!")

Doch welche Empfehlung gilt nun für was?

Viermal „adopt“…

Beherzt umsetzen sollten Versicherer laut „Tech Trend Radar 2022“ die folgenden vier Trends:

  1. Digital Identity: Zu diesem Trend zählen nicht nur die digitalen Profile, die wir selbst erstellen – oder die Spuren und Fußabdrücke, wir durch unser Online-Verhalten mehr oder weniger bewusst hinterlassen: Gemeint sind auch die großangelegten ID-Programme, die Staaten und Staatengemeinschaften vorantreiben und die durch die Corona-Pandemie zusätzlichen Schwung aufgenommen haben. Bis 2025 wird dem Geschäft mit digitalen IDs allein im Mobilfunkmarkt ein Umsatzpotenzial von als acht Milliarden Dollar zugetraut, schließlich gelten sie als wichtiger Schlüssel für jegliche Art von Verifizierungsverfahren, etwa auf dem Smartphone. Und auch in der Versicherungsbranche, in der persönliche und sensible Daten verarbeitet und geteilt werden, dürften dieser Zukunftstrend die Prozesse effizienter und sicherer machen: „adopt!“
  2. Human Recognition: Wie lassen sich Personen zuverlässig und eindeutig identifizieren? Einerseits durch biometrische Erkennungsmerkmale (Gesicht, Fingerabdrücke, Iris, DNS und vieles mehr), andererseits durch verhaltensbasierte Muster (Tipp-Geschwindigkeit, Computermaus-Wege, Unterschrift, Stimmveränderungen). Für Versicherer, die sichergehen müssen, auch wirklich mit der jeweils richtigen Person zu kommunizieren, ein wertvoller und sicherheitserhöhender Trend.

  3. Trusted AI: Je weiter sich KI-Anwendungen verbreiten und je mehr Entscheidungen ihnen zugetraut werden, desto wichtiger wird, dass wir uns ihrer Zuverlässigkeit, Präzision, Fairness und Loyalität sicher sein können – so menschlich diese Begriffe auch klingen mögen. Auf //next haben wir uns daher bereits mit „vertrauenswürdiger KI“ beschäftigt. Und auch für die Macher des „TTR2022“ ist der „Trust“-Aspekt unabdingbar, damit sich KI in der Assekuranz sicher einsetzen lässt.
  4. Cyber Security: Dieser Megatrend ist so fundamental für die digitale Transformation unserer Gesellschaft, dass wir ihm wie gesagt einen der regulären Kanäle hier auf //next widmen. Mit voranschreitender Digitalisierung nehmen leider auch das damit verbundene Missbrauchspotenzial sowie die Verwundbarkeit aller Teilnehmer zu, so dass auch Versicherer diesem Thema höchste Priorität zuweisen, während sie ihr Geschäft digitalisieren und neue Chancen erschließen: „adopt!“


... viermal „trial“…

  1. Deepfake Defense: Dieser Trend umfasst sämtliche Ansätze, die manipulierte Fotos, Videos, Texte und andere zweckentfremdete Dateien erkennen und brandmarken helfen. Wie solche Fakes entstehen? Für ein Deepfake-Video zum Beispiel erlernt ein Programm dank KI, wie eine Person aussieht und welche Mimik sie hat. Per Mausklick lässt sich anschließend das Gesicht auf jede beliebige Person übertragen. „So lassen sich Videos erzeugen, in denen Menschen scheinbar Dinge sagen oder tun, die sie nie gesagt oder getan haben“, erklärt der Physiker Harald Lesch in unserem Beitrag hier auf //next. Auch für die Versicherungsbranche ist dieser Trend eine große Bedrohung, so dass sie laut „TTR2022“ dringend mit Schutzmechanismen und Abwehrtechnologien experimentieren sollte: „trial!“
  2. Privacy-enhancing Tech (PET): Hinter diesem Trend verbergen sich Lösungen, mit denen sich Daten nicht nur dann schützen lassen, wenn sie gespeichert irgendwo abliegen – sondern auch dann, wenn sie gerade verarbeitet oder für Analysen verwendet werden. Wie hier in einer wissenschaftlichen Arbeit anschaulich erklärt wird, lässt sich damit das „Potenzial der gemeinsamen Nutzung von Daten unter Wahrung der Privatsphäre ausschöpfen“. Vor allem erlauben Methoden aus dem PET-Bereich, sensible Daten für Auswertungen und Berechnungen zu nutzen, ohne sie Dritten gegenüber offenlegen zu müssen. Dies kann auch Versicherern helfen, ihre wachsenden Herausforderungen beim Datenschutz zu meistern.
  3. Digital Currencies: Egal ob dezentral entstanden wie der Bitcoin oder künftig beispielsweise von einer Zentralbank herausgegeben: Diese innovativen Währungen werden mittels Blockchain-Technologie verwaltet und somit nur schwer – wenn überhaupt – manipulierbar. Allerdings sind sie auch – sofern es sich nicht um so genannte „Stable Coins“ handelt – aktuell noch sehr volatil, ihr Wert in etablierten Währungen wie Euro oder Dollar schwankt also stark. Dennoch gilt: Je mehr Kaufkraft diese neuen Währungen abbilden, desto bedeutender werden sie auch für die Versicherungsindustrie. „Inzwischen gibt es vielversprechende Ansätze, unter anderem von Zentralbanken, die die Vorteile einer digitalen Währung mit der Stabilität und Zuverlässigkeit einer Realwährung kombinieren sollen“, erzählt Martin Thormählen von Munich Re, einer der beiden Projektleiter des „TTR2022“. Insgesamt sei die Munich Re Gruppe aber noch recht vorsichtig in der Bewertung der Versicherbarkeit dieser neuen Technologien. Ein Interview mit Martin und seinem Counterpart bei ERGO, Daniel Grothues, lest Ihr hier.
  4. 1    Smart Contracts: Sie halten Vereinbarungen manipulationssicher per Blockchain fest und gelten als Grundlage nicht nur für DeFi-Anwendungen, sondern generell für alle möglichen Arten von Token – etwa NFTs –, die digitale und zunehmen auch reale Werte verkörpern: Smarte Verträge können auch in der Versicherungswirtschaft von großem Nutzen sein, wenn sie etwa Transaktionskosten senken und Vereinbarungen automatisch, eindeutig und rechtssicher ausführen. Zudem bieten sie neue Geschäftschancen, wenn es die auf den Token festgehaltenen Vermögenswerte zu versichern gilt.

... sowie zweimal „assess“

  1. Automated Compliance: Die Big-Data-Revolution birgt viele neue Chancen, doch die ausufernden Datenmengen bringen Compliance-Verantwortliche an ihre Grenzen. Regulatorische Technologien (RegTech) und andere Automated-Compliance-Lösungen bieten da Abhilfe, indem sie besser als Menschen mit den sich ständig veränderenden regulatorischen Anforderungen mithalten, Zeit und Geld sparen und Verstöße zuverlässiger automatisiert aufdecken – auch in der Versicherungsbranche, die wie keine zweite von Vertrauen und regelkonformen Prozessen lebt.
  2. Decentralized Data Economy: Aus Sorgen vor Missbrauch und Diebstahl nutzen viele Unternehmen ihre Datenschätze weniger umfassend, als sie könnten. Mit Hilfe der manipulationssicheren Blockchain-Technologie könnte sich das ändern: Auf dezentralen Daten-Marktplätzen könnten Organisationen und Personen wechselseitig ihre Daten, Erkenntnisse und KI-Anwendungen zusammenbringen und voneinander profitieren. Ein Trend, der sicher noch einen weiten Weg vor sich hat, doch große Chancen birgt – nicht nur für Versicherer, sondern für die gesamte Volkswirtschaft.


Im letzten Beitrag aus dieser Reihe …

... nehmen wir uns das Trendfeld „Emerging Industries“ zur Brust: Welche zehn Trends verbergen sich dahinter – und welche Anwendungen sind bereits im Einsatz? 

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